17 Sep2013
Entmietungsmethoden eines Rechtsanwalts
Rüde Methoden gegen schwerkranke Mieterin
Vor gut zwei Jahren hat sich die Tochter eines Regensburger Rechtsanwalts eine Wohnung gekauft. Doch nun können sie und ihr Lebensgefährte dort nicht einziehen. Schuld daran ist eine schwerbehinderte Frau. Da darf der Herr Papa in den Schriftsätzen schon mal etwas ruppiger werden.
„Wir sehen überhaupt keinen Grund, das journalistisch aufzuarbeiten. Ich untersage Ihnen, meinen Namen, den meiner Mandantin oder irgendetwas, was auf uns hindeutet, zu erwähnen.“ Herr Rechtsanwalt L. ist ungehalten. Und als wir ihn doch noch etwas fragen wollen, fängt der Baurechtler an zu brüllen und legt schließlich auf. Es ist auch eine ärgerliche Geschichte.
Vor gut zwei Jahren hat sich die Tochter des Regensburger Rechtsanwalts, nennen wir sie Janine, eine Wohnung in Regensburg gekauft. Schön gelegen, am Gries. Einem Stadtteil, der gemeinhin zu Stadtamhof gerechnet wird, aber doch noch etwas abseits liegt und allen – durch Immobilienspekulationen bedingten – Veränderungen zum Trotz noch eine fast dörfliche Struktur aufweist. Doch nun können Janine und ihr Lebensgefährte dort nicht einziehen. Und schuld daran ist eine Frau mit Schwerbehindertengrad 100.
Seit 40 Jahren lebt Frau Bauer am Gries
In der Wohnung, die Janine gekauft hat lebt Christa Bauer. Seit über 40 Jahren wohnt sie am Gries. Gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann, der hier geboren ist, hat sie dort eine Familie gegründet und ihre drei Kinder großgezogen. Sie kennt die Nachbarn und die Nachbarn kennen sie. Wegen einer Herzerkrankung und nach mehreren schweren Krebsoperationen ist sie seit einigen Jahren schwerbehindert und auf Unterstützung durch ihren Sohn Markus angewiesen. Doch mit einem Rollator kann sie sich noch in ihrem Viertel bewegen, Freunde und Nachbarn treffen, ihr soziales Umfeld pflegen. „Das ist mein Gries“, sagt die heute 72jährige.Ruppige Entmietung in den 90ern
Herr L. kennt Christa Bauer schon lange. Mehrfach hat man sich vor Gericht gesehen. Schreiben von ihm mit Androhung strafrechtlicher Schritte hatte sie schon vor Jahren im Briefkasten. Als Rechtsanwalt hat L. den Bauspekulanten Heider vertreten, der das Haus, in dem Christa Bauer seit 1973 lebt, Mitte der 90er Jahre gekauft hatte. Mit zum Teil recht rüden Methoden wurde damals versucht, die Mieter zum Auszug zu bewegen: Wasserleitungen wurden tagelang gekappt, das Dach wurde – ohne das es notwendig gewesen wäre – abgedeckt, so dass es in die Wohnung regnete. Kamine wurden abgerissen, was die Öfen in den Wohnungen unbenutzbar machte. Schlösser zu Wohnungen wurden unter fadescheinigem Vorwand aufgebrochen. Anwaltsbriefe mit der Androhung strafrechtlicher Konsequenzen flatterten in die Briefkästen der Mieter.Christa Bauer blieb als einzige
„Vertreibung aus dem Paradies?“, titelte seinerzeit die Mittelbayerische Zeitung einen der zahlreichen Artikel über die skandalösen Vorgänge am Gries. Und auch die Zeitung des Mietervereins war damals voll mit Berichten über die rüden Entmietungsmethoden. „Herr L. war damals der Haus- und Hofanwalt von Herrn Heider“, erinnert sich der Geschäftsführer des Mietervereins Willibald Bauer (nicht verwandt mit Christa Bauer). Am Ende zogen die meisten Mieter – mal mehr, mal weniger freiwillig – aus. Ihre Wohnungen wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft. Nur Christa Bauer hielt damals allen Schikanen stand. Sie erhielt einen neuen Mietvertrag. Ihre Wohnung gehörte der Tochter des Bauspekulanten Heider, für die L. ebenfalls immer wieder als Rechtsanwalt fungiert.Mitte 2011: Kündigung wegen Eigenbedarf
Doch mit diesem, wenn man so will, Burgfrieden, war es Mitte 2011 vorbei. Damals kauften Janine und deren Mann die Wohnung. Unmittelbar darauf erhöhten sie (auf Basis überhöhter Quadratmeterangaben) nicht nur die Miete, sondern kündigten auch prompt das Mietverhältnis mit Christa Bauer. Begründung: Eigenbedarf. Sie und ihr Mann planten, eine Familie zu gründen, heißt es in dem Kündigungsschreiben. Dafür sei die Wohnung ideal geeignet. Bauer solle binnen der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Jahr ausziehen. Seit die Rentnerin dieser Kündigung mit Verweis auf ihren Gesundheitszustand widersprochen hat, wird der Aktenordner, in dem ihr Sohn Markus den Schriftverkehr mit Rechtsanwalt L., seiner durch ihn anwaltlich vertretenen Tochter und dem Amtsgericht Regensburg sammelt fast täglich dicker. Mittlerweile laufen zwei Räumungsklagen: Zu der ordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarf ist eine außerordentliche wegen angeblich unberechtigter Mietminderung gekommen. Und der Ton, den Rechtsanwalt L. in seinen Schriftsätzen anschlägt, ist bisweilen recht rau.Beschimpfungen und Drohungen
Schreiben des Arztes von Christa Bauer, aber auch des Bezirksklinikums Regensburg, die den schlechte Gesundheitszustand der Frau bestätigen und in dem ein Umzug als „unzumutbare Härte“ beurteilt wird, bezeichnet L. durchweg als „Gefälligkeitsatteste“. Christa Bauer sei weder krank, noch am Gries verwurzelt. Und falls sie doch krank sei, habe man das beim Kauf der Wohnung nicht gewusst. In jedem Fall müsse sie raus. Und letztlich gehe es der Mieterin doch nur ums Geld, heißt es in einem Schriftsatz. Nebenbei wird – aus welchen Gründen auch immer – auch noch die Krebskrankheit ihres an Krebs verstorbenen Mannes bestritten. Trotz der Bitte, den Schriftwechsel nur über Christa Bauers Rechtsanwalt oder den Mieterverein zu führen, um die schwerkranke Frau nicht unnötig zu belasten, fungiert Rechtsanwalt L. bisweilen als Bote, um ihr Schreiben zu überbringen, in denen mit Schadenersatzforderungen oder „rechtlichen Schritten zur Auskunftserlangung“ oder wegen angeblichen Prozessbetrugs gedroht wird. „Meine Mutter ist wegen ihrer Herzprobleme und des angeschlagenen Gesundheitszustandes mehrfach zusammengebrochen“, sagt ihr Sohn Markus. „Die Schriftsätze haben ihr körperlich und nervlich sehr zugesetzt. Sie hat sich oft in den Schlaf geweint.“Das „Muttersöhnchen“ ist nicht „sozialadäquat“
Markus Bauer lebt bei seiner Mutter und kümmert sich um sie. Sein Arbeitgeber hat ihm dafür sogar einen Heimarbeitsplatz genehmigt. In einem Schriftsatz wird er dafür regelrecht beschimpft. Wenn er selbst keine Lebenspartnerschaft eingehen könne oder wolle, so sei das seine Sache, heißt es darin. Die Kläger seien indes keine „Muttersöhnchen“. „Sozialadäquat“ sei es, „dass Erwachsene sich verselbständigen und selbst verwirklichen“. Mit Blick auf Christa Bauer sei „vielmehr davon auszugehen, dass eine Verbringung in ein auf optimale Versorgung (…) ausgerichtetes Pflegeheim notwendig ist“. „Ob das alles noch seriös ist, wage ich doch stark zu bezweifeln“, sagt Willibald Bauer vom Mieterverein. Dass die Mieterin schwerkrank sei, hätte Rechtsanwalt L. angesichts der Vorgeschichte eigentlich bekannt sein müssen, so Bauer. Anlässlich eines Besichtigungstermins in der Wohnung – also noch vor deren Kauf – habe zudem sowohl er als auch die Tochter von Frau Bauer dies ausdrücklich betont. Tatsächlich gibt es auch ein von Rechtsanwalt L. unterzeichnetes Schreiben an den Mieterverein, in dem erklärt wird, man werde diesen Besichtigungstermin „so zurückhaltend und so problemlos wie möglich“ gestalten.Gutachten soll Umzugsfähigkeit klären
Doch sei es wie es will: Heute wollen weder L., noch seine Tochter etwas über den Gesundheitszustand von Christa Bauer gewusst haben, der die Eigenbedarfskündigung nun in Verzug bringt. Rücksicht darauf nehmen sie, siehe oben, sowieso nicht. Ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten soll jetzt die Umzugsfähigkeit der 72jährigen klären. 1.500 Euro musste Bauer dafür vorschießen. Erst wenn dieses Gutachten vorliegt, ist mit einer mündlichen Verhandlung zu rechnen. Die Begründung „Eigenbedarf“, die Janine und deren Ehemann vorbringen, ist mit der häufigste Kündigungsgrund für Mietverhältnisse in Deutschland. Die Widerspruchsmöglichkeiten sind relativ begrenzt. Und sollte das Gericht den Eigenbedarf als begründet und gleichzeitig den Umzug für Christa Bauer nicht als unzumutbar ansehen, wird sie den Gries wohl verlassen müssen.Tatsächlich Eigenbedarf?
Willibald Bauer vom Mieterverein beschleicht angesichts der ganzen Vorgeschichte „ein mulmiges Gefühl, ob die Begründung Eigenbedarf wirklich ehrlich gemeint ist“. Rechtsanwalt L. indes bestreitet, das vehement und fungiert zudem durchgängig als Zeuge, um die missliche Lage seiner Tochter und seines Schwiegersohns zu belegen oder Zweifel daran auszuräumen, dass deren Lebensmittelpunkt tatsächlich in Regensburg liegt. Christa Bauers Tochter indes, die bei der ersten Wohnungsbesichtigung zugegen war, hat gegenüber dem Gericht erklärt, dass L. von seiner Tochter gefragt worden sei: „Papa, was willst Du denn mit so einer Wohnung?“Vater und Tochter schweigen
Weder Rechtsanwalt L. noch seine Tochter waren zu einem Gespräch bereit. In einer Mail von ihr heißt es:„Wir geben in dieser Sache keine Stellungnahme ab, da wie Sie wissen ein Rechtsstreit anhängig ist. Desweiteren weisen wir Sie auf unser Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hin. Wir sind NICHT einverstanden, dass wir in dem von Ihnen geplanten Artikel und Ähnlichem namentlich genannt werden und dass Informationen über uns geschildert werden, anhand derer eine Identifizierung unserer Identität möglich ist.“Mehr Informationen zum Thema Eigenbedarfskündigung.
Student
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Danke für diesen Artikel!
Bana
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Unglaublich, wie krank unsere Gesellschaft sein kann.
Ärgermeister
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Es ist eine Schande. Ich hoffe, die Gerichte entscheiden in dieser Sache sozial und nicht nach Kapitalinteressen.
tim
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Da das auch vor Gericht verhandelt wird, gibt es ja presserechtlich eigentlich gar keinen Anspruch auf Anonymität. Scheut ihr Streß und Kosten bei Streitereien mit dem Anwalt? Verständlich, aber was die Kosten angeht: Viele, ich eingeschlossen, spenden gerne mal wieder für Auseinandersetzungen mit den richtigen ;)
Karl Brunnbauer
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Das sind die wirklichen paradiesischen Zustände in unserer kranken Gesellschaft, die uns vor allem von der Partei mit dem CS im Namen immer wieder vorgegaugelt werden.
Die Realität ist eben doch anders, doch keinen interessiert es.
Ich wünsche Ihnen noch viel Kraft und Durchhaltevermögen im Kampf um ihre Wohnung und das Lebensumfeld.
Lassen Sie sich nicht unterkriegen!
Mit aufmunternden Grüßen
Karl Brunnbauer
Veronika
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Auch von mir besten Dank für diesen Artikel! Solche Dinge müssen mal aufgearbeitet werden. Es dürfte gerade für ältere Leute noch viel schlimmer werden.
Wenn Sie der Herr Rechtsanwalt schon immer wieder als Zeuge betätigt, hoffenlich passt er gut auf, dass ihm so etwas nicht zum Verhängnis wird. In eigenen oder der eigenen Leute Dinge sollte man sich als Anwalt nie zum Anwalt, schon gar nicht zum Anwalt UND Zeugen machen.
Ele
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Aiiijaiiijaiii ….. !!!
Ich wünsche auch der Mieterin, daß sie bleiben kann. Wenn ich allerdings die Qualität der Gutachter betrachte, die ja u.a. durch den Fall Mollath mal ein bißchen durchleuchtet wurde, ….. fürchte ich, daß sie keine Chance hat.
N. Bastscho
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@ Herr Brunnbauer, wie schaut’s den bei der SPD aus? Im Aufsichtsrat Stadtbau hocken etliche mit CS und SP im Parteinamen. Darunter auch Stadtrat Hartl, der Fraktionsvorsitzer der SPD und Parteifreund von Bgm Wolbergs u.a. dem Leiter des Amtes für Soziales.
http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10071&pk=962424
Sita
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Einen alten Baum verwurzelt man nicht mehr, noch dazu wenn er eh schon kränkelt! Mehr Empathie oder Menschlichkeit statt Paragraphen pochen wären hier angebrachter… sowie Respekt vor unseren “Alten”!
Manix24
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Die Krämerseele ist die Cousine des “Ruach’s”, und die
Spekulation, ist eine ihrer bevorzugten Nahrungen.
Ich hoffe das Gericht sieht in Punkto Eigenbedarf gründlich nach, wenn die Frau mal “entfernt” ist findet man immer mal
ne Hintertür um das ganze zu sanieren und mit Gewinn weiterzuverkaufen weil ja der Gries das neue Stadtamhof wird, oder werden könnte!
Locusblume
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Ein schlimmer Fall von sozialer Kälte! Der Rechtsanwalt sollte sich schämen!
Kerstin Lange
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Danke für diesen Artikel. Ihr bleibt doch bestimmt am Ball ?Wenn es zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung kommt, bitte Bescheid sagen, damit alle sehen und hören können, was im Namen des Volkes verkündet werden wird!
Stefan Aigner
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@Kerstin Lange
Selbstverständlich bleiben wir an der Sache dran.
Das ist auch ein Grund (@tim), weswegen wir den Namen des Rechtsanwalts nicht nennen.
Zwar teilen wir nicht dessen Rechtsauffassung, aber eine Unterlassung ist schnell erwirkt, es dauert bis man diese weg bekommt und so lange eine solche gilt, wäre es schwierig bis unmöglich weiter über die Sache zu berichten.
peter sturm
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solche methoden sind leider standard geworden:
donnerstag 19.sept 14.30 amtsgericht regensburg:
stadtbau gegen fam. steinbauer.
Sozialdemokratin
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Vielen Dank, lieber Stefan Aigner, für diesen Bericht.
Es gibt halt Leute, wie z.B. besagter “Rechts-“Anwalt,
die vor nichts zurückscheuen, wenn es um ihren eigenen
Profit geht.
Gelmir
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@Locusblume
Aber nein, wieso denn? Dann hätte der doch seinen Beruf verfehlt!?!!!
Student
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Man kaufe niemals vermietete Bestandsimmobilien, weder als Kapitalanlage, noch, um sie jemals einmal selbst zu beziehen. Wenn man sich “sozial” verhalten will, muss man auf eigene Kosten renovieren, wobei ein angemessener Standard anzustreben ist, alles darf nur mit minimalen Belastungen für den Mieter einhergehen und keinesfalls dürfen die Mieten erhöht werden. Basta.
NoMafia
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Liebe Nachbarmieter – auch vertriebene – schweigt bitte nicht: Sie wissen von der Behinderung der Frau Bauer.
Haben Sie Seltsames erfahren über diese Hausentmietung oder diesen “zurückhaltenden” Rechtsanwalt?
Kompliment an rd.
Drohender Gutachter rudert zurück | Regensburg Digital
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[…] mehrfach berichtet, versucht ein Regensburger Rechtsanwalt seit geraumer Zeit, die 72jährige Christa Bauer mit zum Teil…. Vorgeblich geht es um Eigenbedarf seiner (in Göttingen lebenden) […]
Aus dem Redaktionstagebuch (9/18) » Regensburg Digital
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[…] ist fünf Jahre her, seit wir das erste Mal darüber berichtet haben: Ein bekannter Regensburger Rechtsanwalt ging mit recht ruppigen Methoden gegen eine schwerkranke Fra… 2011 kündigte man der damals 70jährigen Christa Bauer wegen angeblichen Eigenbedarfs. Es folgten […]