Neulich im Kasperltheater
Als Stadtrat hat man es bisweilen nicht leicht. Zuhören, manchmal über Stunden, vielleicht mal was sagen und irgendwann zum richtigen Zeitpunkt die Hand heben. Da kann schon mal etwas durcheinander gehen.
Und so begab es sich am letzten Dienstag in der Sitzung des Planungsausschusses, in der man schon über eine Stunde den neuen Mietspiegel diskutiert hatte (mehr dazu in Kürze), dass Neupiratin Ewa Tuora-Schwierskott drei Anträge für ihre Partei zur Abstimmung stellen wollte, auf dass so das Wahlprogramm der Piraten bekannter werde und so die – etwas schleppend laufende – Unterschriftensammlung für den Antritt zur Kommunalwahl etwas in die Gänge komme.
Die piratigen Anliegen dieses Mal:
Für Fahrradfahrer solle die Fußgängerzone freigegeben werden („nur in Schrittgeschwindigkeit“).
Für Regensburg solle an Wochenenden ein Nachtbus eingeführt werden, der bis vier Uhr früh verkehrt.
Die Stadt solle vermittels der Stadtbau der Gentrifizierung der Altstadt entgegenwirken, etwa durch den Rückkauf von Immobilien.
Mit dem Zuhören, Reden und Abstimmen hatte Frau Tuora-Schwierskott indes keinerlei Probleme: Sie war nämlich schlicht nicht da.
Nicht, dass die noch zur Märtyrerin wird…
Sie habe mitgeteilt, dass sie beruflich in Polen weile und um Vertagung ihrer Anträge gebeten, ließ der Oberbürgermeister die Anwesenden wissen. Und, „nur damit Frau Tuora Schwierskott hier nicht zur Märtyrerin wird“: Sie habe die Anträge zeitlich so gestellt, dass sie eben in dieser Sitzung auf der Tagesordnung stünden. Da gebe es kein Vertun und das könne man auch nicht ändern. Die Begründung der Anträge sei ja auch so schon ausführlich genug. Und überhaupt habe er sowieso den Verdacht, dass sie schon länger gewusst habe, dass sie nach Polen müsse und da brauche man jetzt gar nicht so herum zu tun.
Handgreiflichkeiten unter Ex-Fraktionschefs
„Genau. Wir sind hier schließlich nicht im Kasperltheater“, sekundierte da Herbert Schlegl, einst ob seiner Wortgewalt gefürchteter CSU-Fraktionschef, doch mittlerweile ins hintere Glied verbannt. „Sechs Jahre lang schlafen und jetzt mit nicht brauchbaren Anträgen daherkommen“, zog sein Nachfolger und Namensvetter Christian Schlegl nach und stellte zum Antrag von Irmgard Freihoffer (Linke) auf Vertagung gleich den entsprechenden Gegenantrag.
Eine Handvoll Oppositionsstadträte stimmte noch für die Vertagung und es hätte auch keinen Unterschied gemacht, wenn Schlegl, der Ältere, die ebenfalls nach oben schießende Hand von Rudi Eberwein (der war auch mal CSU-Fraktionschef) nicht mit einem leise gemurmelten „Spinnst Du“ nach unten gerissen hätte. „Ah, is der endlich a aufgwacht“, raunte da Schlegl, der Jüngere, ehe die Piraten-Anträge ohne weitere Diskussion („Fahrrad-Antrag „nicht brauchbar“. „Nachtbus hamma schon.“ Nichts zum Gentrifzierungsantrag.) hinfort gefegt wurden. Schließlich sind wir ja hier im Stadtrat und nicht im Kasperltheater…
Gondrino
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Schade, dass dieses “Kaspereletheater” nicht live ins Internet übertragen wird. Übrigens auch ein Antrag der Piratenpartei, der von der regierenden Rathausmehrheit abgelehnt wurde. Das verstehe ich jetzt auch, würden doch die WählerInnen Gelegenheit bekommen sich die “Kasperle” bei der “Arbeit” anzuschauen und sich vielleicht wundern, was sie da gewählt haben.
blauäugig
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@gondrino: Als steter Mahner von mehr Transparenz könnte Sie ja mal über die Sitzungen, welche Sie leiten, brauchbarere Protokolle veröffentlichen.
Übriges gehört sich folgendes für eine Partei nicht, welche sich lauthals für Datenschutz stark macht (Quelle: Protokoll der Sitzung des Kreisverbandes/seines Vorstandes vom 20.11.2013):
“Kommunalwahlkampf
(…)
Daten kaufen und Infopost schicken “
erik
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ich spreche nicht von Gentrifizierung, sondern von politisch geplanter Vertreibung von Gesellschaftsgruppen und Schichten mit dem Ziel einer Konzentration der eigenen Wählerschaft und Schichten herbeizuführen um Wahlen im Sinne der Regierenden um die Ecke gedacht und nicht auf den ersten Blick erkennbar zu beeinflussen! Ein Mietspiegel oder Mietniveau ist kein Naturgesetz, sondern von politisches Entscheidungen geschaffenes künstliches Konstrukt! Es ist kein Geheimnis, das es in Städten wie München, Nürnberg und sicher auch in Regensburg und anderen Städten einen Leerstand von Wohnungen im Besitz der öffentlichen Hand gibt.
Zara Garbo
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Was zahlt ein Kasperl Larifari oder…mehr als ein Artinger oder…um beim Werbebanner vorzurücken . Bin neugierig wer Anfang März 2014 oben steht?
“Rotation. Die geschalteten Anzeigen werden in zufälliger Reihenfolge auf jeder Unterseite und neben jedem Artikel platziert. Sonderwünsche können auf Anfrage erfüllt werden.”
http://www.regensburg-digital.de/werbung-schalten/
Insider
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zu Gondrino: Die Diskussion im Stadtrat zur Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet läuft seit über vier Jahren. Dazu gab es Anträge verschiedener Oppositionsparteien. Dies ist auch der Piraten-Stadträtin Tuora-Schwierskott bekannt, ihr Antrag war daher komplett überflüssig. Eine Entscheidung über künftige Internetübertragungen wird der neu gewählte Stadtrat fällen. Immerhin muss sich jeder Stadtrat schriftlich mit der Liveübertragung einverstanden erklären – dieser und auch der technische Aufwand rentiert sich für den “alten” Stadtrat schlichtweg nicht mehr.
Taxifahrer
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Wer oder was ist die Piratenpartei?
Stefan Aigner
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@Zara Garbo
Sämtliche Werbepreise und -möglichkeiten, fest oder rotierend, stehen auf der von Ihnen angegebenen Seite.
Ludwig Bruckbeck
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Also früher ist sowas nicht vorgekommen, daß ein CSU-Mandatsträger an der falschen Stelle den Arm gehoben hat! Weil er sich nämlich vorher sachkundig beraten hat lassen. So wie der Landtagsabgeordnete Jozef Filser, der beim Pfarrer seiner Heimatgemeinde Mingharting die schriftliche Anfrage stellt:
“Jetzt hab ich noch eine Gewissensfrage, hochwierder herr bfarrer, weil ichs fergessen hab, ob ich fier oder gegen die Beamdenaufbäserung schtimme. In der Bardei is keine Einigkeid nicht forhanden, weil es verschieden ist und die, die wo was kriegen, sind schon dafier, aber die andern wo blos zahlen, sind nicht dafier. Ich bitt schön, hochwierden herr Bfarrer, schreim sie mir meinen Schtandbunkt…”
Und einem Spezi daheim klagt Jozef Filser: “Man kent sich oft gar nüchd aus, wie mans recht machd und wie man seine Schtimm abgeben mus.”
Gottlob gibt es da die Pfarrer in der Zentrumsfraktion, die ungefähr die Funktion des heutigen CSU-Fraktionsvorstands ausüben, wie Filser an seine Mari schreibt, die “kenigl. Abgeornetensgahtin”:
“Dan sin mir nach Minchen komen und ich bin zum Bögnerwirth im Thal, wo mir den Bardeischwur leisten müssen. Es sind viele geischtlinge Herren dagewesen, die wo gesagt haben, mir brauchen blos das Maul halden und sie machen es schon. Libe Mari, ich bin froh, das ich keine Rede nicht halden brauch, sondern das Maul.”
Der letzte Satz trifft auch heute, über hundert Jahre später, auf die allermeisten CSU-Mandatsträger zu, egal ob im Landtag oder im Regensburger Stadtrat. Wenn man sich immer erst beim Seehofer/Schaidinger erkundigen muß, was man für eine Meinung hat, kann es chon mal passieren, daß man bei der Abstimmung an der falschen Stelle die Hand hebt. Aber dafür gibt es ja im Stadtrat gleich zwei Schlegls, daß größere Unfälle in letzter Sekunde vermieden werden!
Ewa Tuora-Schwierskott
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Hallo Liebe Leute,
Ich habe keine Einladung zu diesem Termin bekommen, da ich nicht mehr (seit dem Piraten angehöre) Mitglied dieses Ausschusses bin.
In Internet werden die Termine auch nicht vorangekündigt.
Dass die Anträge behandelt werden, habe ich von Stadtratskollegen mitbekommen.
Ich habe mich schriftlich bei dem OB Entschuldigung und um die Vertagung gebeten. Bisher war der OB damit immer einverstanden (aber bei anderen Stadtratskollegen). Ich konnte schlecht mein Geschäftstermin verlegen, da ich von meinem Geschäft lebe.
Ich bin von dem Umgang mit der Opposition etwas enttäuscht, aber es ist andererseits keine Überraschung. Dieses Benehmen ist mir irgendwie fast vertraut.
Schade um Nachtbus für Regenburg – diese Initiative ist sehr wichtig für unsere Bürger und es wäre wirklich gut, sie zu verwirklichen. Aber kein Problem – in zwei-drei Jahren wird CSU es als eigenen Antrag einbringen!
blauäugig
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Wer braucht schon einen Nachtbus, wenn er einen Metro-Bus bekommen kann?
Ernsthaft, statt den deutlich Alkoholisierten auch noch eine billige Heimfahrt zu ermöglichen, sollten die Beförderungsbestimmungen angewandt werden, z.B.
§ 3 – Von der Beförderung ausgeschlossene Personen
(1) Personen, die eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Betriebes oder für die Fahrgäste
darstellen, sind von der Beförderung ausgeschlossen. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen,
sind insbesondere ausgeschlossen:
1. Personen, die unter dem Einfluss geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel
stehen
Gondrino
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@blauäugig: Sie haben das Problem mal wieder in bewährter Weise erkannt…
So “neue” Sachen können einen aber auch erschrecken.
Fritz
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Frau Dr. Tuora-Schwierskott, bitte verkaufen Sie die Bürger nicht für dumm. Selbstverständlich werden die Termine der Sitzungen im Sitzungskalender der Stadt Regensburg öffentlich angekündigt – so auch der Termin dieser Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung. Die Tagesordnung des öffentlichen Teils war online rechtzeitig zu lesen.