MZ-Prozesse: Theaterdonner und steigende Abfindungen
Der Ton wird rauer, doch die Abfindungen steigen. Annähernd 150.000 Euro hat der Mittelbayerische Verlag zwischenzeitlich an einzelne entlassene Beschäftigte einer Tochtergesellschaft bezahlt. Eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Kündigungen rechtens waren, scheint der MZ-Anwalt tunlichst vermeiden zu wollen.
„Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Sonst würde ich hier mal über die Profile einzelner Beschäftigter reden.“ Johannes Weberling hat sich gerade ein wenig in Rage geredet. Wieder einmal ist der Rechtsanwalt aus Berlin angereist, um vor dem Regensburger Arbeitsgericht die Belange der „Druck Service Regensburg GmbH“ (DSR) zu vertreten.
Wie berichtet hatte der MZ-Verlag im vergangenen Jahr elf langjährige Beschäftigte der verlagseigenen Tochter völlig überraschend vor die Tür gesetzt. Die Begründung: Der Betrieb wird wegen angeblich mangelnder Rentabilität stillgelegt. Billigere Arbeitnehmer erledigen seitdem dieselbe Arbeit an denselben Maschinen im Druckereigebäude an der Rathenaustraße.
Die Entlassungen haben am Image gekratzt
Den Betroffenen, durchweg jenseits der 40, durchweg länger als 20 Jahre im Verlag beschäftigt, wurde zunächst eine pauschale Abfindung von 12.000 Euro plus die Teilnahme an einer sogenannten „Beschäftigungsqualifizierungsgesellschaft“ angeboten, bei der die Arbeitsagentur einen Großteil der Kosten übernommen hätte.
Dossier
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Doch mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Nach öffentlichkeitswirksamen Protesten, der Tatsache, dass alle Betroffenen gegen ihre Kündigung klagten, überregionaler Berichterstattung, offenen Briefen, die zwischen Stadträten und MZ-Führungskräften hin und her gingen und deutlich am Image des Mittelbayerischen Verlags gekratzt haben, will man die Sache offenbar möglichst schnell und vor allem geräuschlos vom Tisch haben.
Von 12.000 auf 150.000 Euro
Zwischenzeitlich hat sich MZ-Anwalt Weberling, der auch federführend mit der Stilllegung der MZ-Tochter betraut war, mit sieben der insgesamt elf Beschäftigten geeinigt. Von zunächst 72.000 bzw. 78.000 sind die Abfindungen mittlerweile in den sechsstellige Bereich gestiegen. Dem Vernehmen nach soll man sich in mindestens einem Fall auf annähernd 150.000 Euro geeinigt haben.
Auch bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Regensburg am Donnerstag betont Johannes Weberling seine Einigungsbereitschaft mit dem Kläger. Es geht um den früheren Betriebsrat, der 24 Jahre beim MZ-Verlag beschäftigt war und es ist bereits der zweite Termin unter dem Vorsitz von Richterin Tanja Keller.
Die Kernfrage, um die es geht: Handelt es sich bei der Stilllegung der „Druck Service Regensburg GmbH“ und Weiterführung der Arbeit durch ein anderes Unternehmen des MZ-Konzerns um einen Betriebsübergang – dann wären die Kündigungen unwirksam – oder nicht.
Gericht tendiert zur Klägerseite
Bereits beim ersten Verhandlungstermin hatte Richterin Keller erklärt, dass sie einen solche Betriebsübergang eher bejaht. Diese Überzeugung habe sich nach der Vorlage diverser Schriftsätze von Weberling auf der einen und Klägeranwältin Anna Hartmannsgruber auf der anderen Seite „noch vertieft“, so Keller.
Die neue Gesellschaft habe denselben Betriebszweck. Die gleiche Arbeit werde am selben Ort mit denselben Maschinen durchgeführt. „Das ist eine nahtlose Fortsetzung.“ Wenn man die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ernst nehme, dann müsse man dem Kläger wohl recht geben, so Keller.
„Ihr Vortrag ist auch unsubstantiiert.“
Es folgt ein wahres Trommelfeuer des MZ-Anwalts. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei „grottenschlecht“. Die Arbeit habe heute eine völlig neue Dimension, es habe „einen Quantensprung“ gegeben, die heute – schlechter bezahlten – Beschäftigten an den Maschinen seien höher qualifiziert, es gebe eine neue Software und überhaupt sei irgendwie alles völlig anders – als noch im August 2015, als die „Druckservice Regensburg GmbH“ stillgelegt wurde.
Mehrfach fragt die Richterin nach, auch ein Beisitzer äußert sein Unverständnis über die Ausführungen Weberlings. Sowohl der Kläger wie auch dessen Rechtsanwältin bestreiten mehrere Behauptungen des MZ-Vertreters. Immer wieder hebt Weberling an. „Ihr Vortrag ist auch unsubstantiiert“, schleudert er Rechtsanwältin Hartmannsgruber irgendwann entgegen. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten“, heißt es irgendwann in Richtung des Klägers.
Alles zu den Gerichtsverfahren
Besichtigt das Gericht bald den “Tatort”? 10.3.16
Schließlich bittet der MZ-Anwalt um eine neuerliche Frist, um auf die Ausführungen von Rechtsanwältin Hartmannsgruber erwidern zu können. Außerdem regt er an, doch ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, um feststellen zu lassen, welche Arbeit unter welchen Voraussetzungen da heute genau an den besagten Maschinen in der MZ-Druckerei ausgeführt wird und ob das zur Definition eines Betriebsübergangs passe.
Weberling betont Einigungsbereitschaft
Das Gericht stimmt zu und vertagt sich. Ein Zeitgewinn für Weberling, der nun die Stimme wieder etwas gesenkt hat, sich in Richtung des Klägers wendet und meint: „Selbstverständlich, das haben Sie ja schon bei anderen gesehen, besteht bei uns weiter Einigungsbereitschaft.“
Man wird sehen, welche Abfindungen der MZ-Verlag noch anbieten wird, um das Risiko eines negativen Urteils zu vermeiden. Der nächste Termin findet am 31. Mai statt. Der Betroffene war 42 Jahre im Mittelbayerischen Verlag beschäftigt.
Jacques Bressot
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Bei sogenannten Rechtsanwälten orientiere ich mich zwischenzeitlich immer an dem Kollegen Uhrmann, der ja das Berufsbild des Rechtsanwalts nachhaltig zeichnete
Hans Dampf
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Pfui deibel…
Rentnerin
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Soweit ich das mitbekomme, ist diese Zeitung sowieso nur noch von der älteren Generation abonniert.
Wenn ich sehe, wie dieser Herr Esser mit seiner Belegschaft umgeht, hätte ich mich geärgert, wenn ich dafür Jahrzehnte jährlich ca. 400,– ausgegeben hätte.
In dieser Stadt interessiert man sich seitens der Politik und der Wirtschaft fast nur noch ausschl. für das Kapital.
Leider besteht der grosse Teil der Bevölkerung aus “kleinen Leuten”.
Das sollte nicht vergessen werden.
merlin
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Oh, Du mein Weberling, wo gehst Du hin…….
Ich glaube nicht dass der Herr Bundesverdienstkreuzträger mit Dir, der “Dampframme”
der Druckindustrie, noch zufrieden ist.
Schmeilzl Erhard
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Langjährige Arbeitnehmer ausstellen – nur wegen Provitgier. Das ist unsozial. Bekam nicht Herr Esser das Bundesverdienstkreuz wegen seiner u. a. sozialen Verdienste? Das sollte er lieber zurückgeben.
In der letzten Verhandlung kam heraus, dass die neuen Billigarbeiter von den langjährigen angelernt worden sind. Jetzt sollen diese besser qualifiziert sein? Dass ich nicht lache. Seit wann sind denn die Schüler besser als ihre Lehrer?
Aber wegen mehr Provit nimmt man alles in Kauf.
Scheinbar schreibt man in der MZ alles über andere Firmen. Der Leser bleibt aber uninformiert über das Unrecht in den eigenen Reihen.
Hainer
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Der letzte Kommentar von S. E. trifft den Nagel auf den Kopf.
Vor allem die letzten beiden Sätze.
Mr. T
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Vielleicht war das Bundesverdienstkreuz irgendwie ironisch gemeint – so wie bei Obama der Friedensnobelpreis ;-)
Bei den kolportierten Abfindungen sieht man wie blöd die eigentlich alle sind. Gespart haben sie sich durch die gewaltsame Tarifkürzung nichts – nur teuer Ärger und schlechte Reputation eingekauft. Das wär auch billiger gegangen.
Zweimal Betroffener
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Die Abfindung ist zwar erhöht worden,aber Wir sprechen trotzdem nicht von irgendjemand,der Sich in der Öffentlichkeit sozial darstellt.(Die Besten der Besten Lehrlinge gibt´s nur bei der MZ. die haben Wir alle Übernommen). Warum dann diese Eskapaten mit den langjährigen Mitarbeitern? Ach ja den jungen Leuten kann man noch etwas vorgaukeln und die sind ja so blöd und arbeiten um die hälfte Ihrer alten Kollegen , nur um sich profilieren zu können. Vielen lieben Dank an die Herren Verleger.
Tobias
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Vielleicht hätte man doch nicht die erfahrenen Mitarbeiter entlassen sollen.
http://www.mittelbayerische.de/zusatz/in-eigener-sache-verspaetete-zustellung-21681-art1387718.html