„Alle Daten und Fakten“ ändern nichts an den Fakten
In der öffentlichen Diskussion um die Entlassungen im Mittelbayerischen Verlag gibt es nun erstmals eine detaillierte Stellungnahme des Verlags selbst. Doch auch „alle Daten und Fakten“ ändern nicht die Fakten.
Nach offenen Briefen (der aktuellste kommt von der Stadtratsfraktion der Linken), Unterlassungsforderungen und einer einstweiliger Verfügung gegen die Berichterstattung des BR sowie fruchtlosen Einladungen von Stadträten ins Medienhaus (dem Vernehmen nach kam nur eine niedrige einstellige Zahl von Stadträten der Einladung nach) war es am späten Freitagnachmittag so weit: Der Mittelbayerische Verlag hat dem öffentlichen Druck nachgegeben und sein Schweigen gebrochen.
Auf der Online-Seite der MZ wurde unter der Überschrift „DSR-Schließung: Alle Daten und Fakten“ ein Bericht „In eigener Sache“ veröffentlicht, in dem vermutlich die Verlagsleitung – einen Autor gibt es nicht – nun erstmals detailliert ihre Sicht der Dinge zu den Entlassungen langjähriger Beschäftigter darstellt. Wie berichtet wurde den Betroffenen kurzfristig die Schließung des Betriebs und ihre Entlassung mitgeteilt. Dieselbe Arbeit wird jetzt von billigeren Beschäftigten, größtenteils Leiharbeiter, erledigt. Seitdem hagelt es Proteste (Alles gibt es in unserem Dossier nachzulesen.).
Nur eine andere Lesart
Ein Großteil dessen, was auf der MZ-Seite veröffentlicht wurde, ist nicht neu, lediglich die Lesart ist eine andere als jene der Gewerkschaft und der entlassenen Beschäftigten.
Die wesentlichen Argumente des Verlags:
1. Wegen des Wettbewerbsdrucks sei es notwendig gewesen, Kosten zu senken, um für Fremdaufträge konkurrenzfähig zu bleiben.
2. Branchenüblich sei der Tarif der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie.
3. Die Angebote des Verlags an die nun Entlassenen seien stets fair und nachvollziehbar gewesen.
4. Das Angebot der Gewerkschaft, im Rahmen des Haustarifs für Neueinstellungen auf 13 Prozent des Gehalts zu verzichten, hätte nichts gebracht, da auf absehbare Zeit keine Neueinstellungen bei der Druckservice Regensburg GmbH (DSR) beabsichtigt gewesen seien.
5. Schuld an allem sei die Gewerkschaft, die bei den Verhandlungen nicht kompromissbereit gewesen sei und die Beschäftigten falsch beraten habe.
MZ-Stellungnahme
Wer Tarif will, fliegt!
Weiterhin nicht nachvollziehbar bleibt allerdings, warum die Anträge mehrerer DSR-Beschäftigter auf Altersteilzeit abgelehnt wurden. Das wäre eine vergleichsweise kostengünstige, vor allem aber sozialverantwortliche Art gewesen, sie früher aus dem Unternehmen ausscheiden zu lassen.
Weiterhin nicht nachvollziehbar bleibt, warum eine pauschale Abfindung von 12.000 Euro pro Beschäftigten ein faires Angebot sein soll, wo doch im Fall der Entlassungen von Druckerhelfern vor einigen Jahren bis zu zehn Mal so hohe Abfindungen gezahlt wurden.
Nicht nachvollziehbar bleibt, warum bei der DSR keine Neueinstellungen beabsichtigt gewesen sein sollen, wo doch über eine andere Gesellschaft aus dem MZ-Konglomerat Beschäftigte für dieselbe Tätigkeit angeworben wurden.
Und ebenfalls nicht nachvollziehbar bleibt, wie die Verlagsleitung zu der Annahme kommt, dass es für die entlassenen DSR-Beschäftigten „zu 95 Prozent wahrscheinlich“ sei, wieder eine Anstellung zu finden. Der Jüngste der Entlassenen ist 46 Jahre alt. Der Verlag selbst schreibt in seinen „Daten und Fakten“ in fast schon diffamierender Weise, dass es sich bei den Betroffenen fast durchweg um „angelernte Quereinsteiger, die teilweise nicht einmal eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen“ handle. Auf die Frage, um welche Art der Anstellung es sich handelt, die diese mit einer Wahrscheinlichkeit „von 95 Prozent“ finden sollen, wird tunlichst nicht eingegangen.
Das Verhalten der MZ-Geschäftsführung etwas kürzer zusammengefasst: Wer nach Tarif bezahlt werden will, der fliegt.
Ansinnen legitim, die Art und Weise nicht
Der MZ-Verlag wollte Kosten sparen. Dieses Ansinnen erscheint noch legitim. Die Art und Weise ist es nicht. Um den gültigen Tarifvertrag von Druck und Papier – dieser ist in tarifgebundenen Zeitungsfertigmachereien branchenüblich – auszuhebeln, wurde diese Abteilung in die DSR ausgelagert. Als Gewerkschaft und Beschäftigte nicht spurten und ihre legitim erworbenen Besitzstände nicht aufgeben wollten, wurden sie kurzerhand entlassen und sollen nun mit einem lächerlichen Angebot abgespeist werden. Für all das hat man sich mit Rechtsanwalt Johannes Weberling einen einschlägig bekannten Juristen ins Haus geholt.
Der Publizist Werner Rügemer, der sich seit Jahren mit dem Phänomen des „Union Busting“, also dem Vorgehen gegen Gewerkschaften und Betriebsräte beschäftigt, nennt Weberling die „Dampframme der Druckbranche“.
Von alledem können weder offene Briefe von Führungskräften, noch einstweilige Verfügungen gegen Medien ablenken. Und auch nicht „alle Daten und Fakten“.
Kritikunfähig und unsouverän
Der Mittelbayerische Verlag ist mit Sicherheit nicht der übelste Arbeitgeber in der Region – das zu behaupten, wäre falsch. Da gibt es einige andere Beispiele und allein schon die Zahl von rund 250 Leiharbeitsfirmen in Regensburg spricht eine deutliche Sprache. Ein Gutteil der Empörung, hat wohl auch weniger mit Solidarität mit den Entlassenen zu tun, sondern damit, dass es sich bei der Mittelbayerischen Zeitung um ein Unternehmen handelt, das Öffentlichkeit macht und damit im Fokus der Öffentlichkeit steht. Aber selten hat sich ein Unternehmen selbst derart öffentlich vorgeführt: als kritikunfähig, unsouverän und am Ende als „Gewerkschaftsfresser“.
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