Misstöne zum Haus der Musik
„Ich werde der Verwaltung künftig untersagen, an solchen Debatten teilzunehmen. Das demotiviert meine Mitarbeiter.“ Sichtlich angefressen beschloss Hans Schaidinger am Donnerstag die Diskussion um die Förderanträge für das neu aufgelegte Konjunkturprogramm des Bundes für Welterbestätten. Zwölf Millionen Euro schwer sind die Projekte, die von der Stadt angemeldet werden – den Löwenanteil davon macht das geplante „Haus der Musik“ im Präsidialpalais am Bismarckplatz aus. Zehn Millionen soll die Umsetzung kosten. Entsprechend prägte das Thema denn auch die Debatte im Stadtrat. Derzeit gehört das denkmalgeschützte Gebäude dem Freistaat Bayern, der es der Stadt zum Kauf angeboten hat.
Die Stadt hofft auf eine Übernahme von zwei Drittel der Kosten durch den Bund. Einen weiteren Teil sollen nicht näher benannte Mäzene schultern und ein Teil wird wohl auch an der Stadt selbst hängen bleiben, ebenso wie die Unterhaltskosten.
Mit der Anmeldung für das Förderprogramm sei noch keine Entscheidung für die Umsetzung des Projekts gefallen, hatte Schaidinger wiederholt betont. Beruhigen ließen sich die Vertreter der Opposition durch diese Aussage keineswegs.
Ludwig Artinger kritisierte, dass hier plötzlich namhafte Mittel zur Verfügung stünden, während der Neubau einer FOS/BOS immer mit dem Argument „kein Geld“ auf die lange Bank geschoben werde. „Sie müssen den Eltern und Schülern sagen: Ihr habt nicht dieselbe Priorität wie andere Dinge.“ Von Schaidinger sei „künstlich ein enormer zeitlicher Druck aufgebaut“ worden, so Artinger. „Man kann sich ausrechnen, dass das intern bereits seit Monaten diskutiert wird.“ Am Rande: Dass ein „Haus der Musik“ bereits seit längerem diskutiert wird, kann man sich nicht nur ausrechnen – man konnte es sogar in der Zeitung lesen. Kulturreferent Unger hat diese Idee bereits vor drei Monaten gegenüber dem Regensburger Wochenblatt bekundet. Vergangene Woche gingen Schaidinger und Unger mit dem Vorhaben via Presse an die Öffentlichkeit.
Ungeachtet dessen scheint das Konzept dahinter eher vage zu sein. Weder bei der entsprechenden Pressekonferenz noch in der Stadtratsvorlage gab es Vorschläge von Klemens Unger, die wesentlich über ein Raumprogramm für die Sing- und Musikschule bzw. die städtische Philharmonie hinausgehen.
„Sie geben uns sechseinhalb Zeilen, anhand derer wir über ein Zehn-Millionen-Projekt entscheiden sollen“, kritisierte Horst Meierhofer (FDP). „Das ist sehr dünn und völlig unangemessen.“ Fraktionskollege Jürgen Pätz, einst selbst Stadtkämmerer, bezweifelt, dass der Kauf des Gebäudes selbst überhaupt förderfähig sei. Pätz rechnet zudem mit jährlichen laufenden Kosten von 1,5 bis zwei Millionen Euro pro Jahr.
Jürgen Huber (Grüne) bescheinigt einem Haus der Musik keinerlei kulturpolitische Bedeutung für Regensburg. Kein Konzept, vollkommen vage und jenseits einer zukunftsgerichteten Kulturpolitik lauten die Attribute, mit denen Huber das Projekt belegt. „Andere gute Sachen wie die Kurzfilmwoche werden Not leiden, weil hier mit einem Projekt ohne Inhalte herumgestopselt wird.“
Norbert Hartl räumte ein, dass auch er über die sehr kurzfristige Information überrascht gewesen sei. Allerdings betonten sowohl er wie auch sein CSU-Pendant Christian Schlegl, dass über den endgültigen Kauf gesondert entschieden werde. Schlegl nutzte die Gelegenheit für einen Rundumschlag gegen die Opposition. Es habe keinerlei Fragen zu dem Projekt gegeben, nur „substanzlose Angriffe“. „Sie verpassen eine Chance, wenn Sie hier nicht zustimmen.“ Es handle sich um „eine der wichtigsten kulturpolitischen Entscheidungen“ für die Stadt Regensburg.
Margit Kunc (Grüne) bezweifelt indessen, dass mit dem Antrag auf Förderung nicht schon eine Vorentscheidung gefallen ist. Man habe das Haus der Musik angemeldet, andere Vorhaben nicht. Wenn jetzt Geld komme, werde das Projekt umgesetzt, andere müssten weiter zurückstehen.
Gegen die Stimmen von Grünen, FDP und Linke segnete der Stadtrat die gesammelten Förderanträge schließlich ab. Für Schaidingers Abschlussworte gab es Pfiffe aus dem Plenum.
Lothgassler
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Bleibt zu hoffen, dass die Förderanträge “leer” ausgehen. Wahrscheinlich hoffen das insgeheim auch die zustimmenden Stadträtinnen und Stadträte.
Haben alle die Unterlagen gelesen und verstanden, oder hat sich bloß keiner nachfragen trauen?
Kultur manifestiert sich scheinbar hauptsächlich in Bauwerken, alles andere ist zu flüchtig. Den Kulturschaffenden ist damit weniger gedient, denn um ihre Beiträge würdig zu entlohnen fehlt nunmal weiterhin das Geld.
Die Kultur-Prioritäten sind auch geklärt: Immobilien vor Fussball vor …. vor Bildung vor Kunst.
Unserem Kulturreferenten wird langsam klar, dass seine Tage gezählt sind, und dass jetzt ein Denkmal-an-mich her muss. Nein, sein Wirken darf nicht vergessen werden! Aber woran nur soll man sich erinnern?
Warum jetzt ausgerechnet die Stadt das alte Gemäuer kaufen muss, und nicht eine Versicherung oder Bank sich diesen Tempel am ersten Platz als Sitz auserwählt, das verstehe wer kann. Das würde die leeren öffentlichen Kassen wenigstens entlasten.
Was ist mit T&T, wollen die nicht ein Luxus-Hotel errichten? Die Lage wäre zwar erstklassig und eine Tiefgarage ist auch dabei, aber T&T wird den Wert der Immobilie halt auch richtig einschätzen und nie und nimmer diesen Preis zahlen.
T&T, auf gehts, bietet für das Palais einen symbolischen Betrag und macht ein Hotel daraus. Meinen Segen habts!
Andreas
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Dieser Oberbürgermeister gehört doch unter Zwangskuratel gestellt! Diese Sucht, nicht vorhandenes Geld für überkandidelte Bauprojekte auszugeben, trägt doch schon pathologische Züge!
Regensburger
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Ist schon unglaublich, wie hier mal wieder diskutiert wird. Künstler sorgen sich um “ihre Entlohnung”. Dass in Regensburg ein Mangel an entsprechenden Räumen (kleiner Konzertsaal, Ausstellungsräume, Proberäume) besteht, interessiert wenig. Klar, wenn es nur um die eigene Entlohnung geht. Es gibt aber zum Glück auch noch Künstler, denen es ums Publikum geht. Die schreien nur nicht so laut nach mehr Entlohnung aus dem Stadtsäckel. Wenn man das Geld direkt den Künstlern als Entlohnung gibt, ist es nach der Veranstaltung weg. Wenn man es (zusammen mit einer entsprechenden Förderung vom Bund) in ein Gebäude investiert, steht es langfristig zur Verfügung und wird durch die Förderung sogar (je nach Quote) vervielfacht.
Im übrigen war es bislang eine wichtige Qualität der Politik, Fördergelder nach Regensburg zu holen. Mittlerweile wollen viele auf die Millionen verzichten, nur damit man aus dem städtischen Haushalt ein paar Hunderttausend einsparen kann. So kurzsichtig wird man, wenn man nur noch in persönlichen Aversionen gegen den OB oder den Kulturreferenten denkt. Ich halte die Idee, an diesem wichtigen Ort die Kultur zu platzieren für großartig und hoffe sehr auf einen Erfolg!
Lothgassler
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@ Regensburger
Nein, ich bin kein Künstler! Vorsorglich sei es noch erwähnt, ich bin auch nicht in der Hotelbranche tätig und arbeite auch nicht für T&T.
Es ist schon nett zu lesen, dass Ihnen die Künstler am Herzen liegen, die fürs Publikum alles geben und möglichst wenig dafür nehmen.
Traurig ist, dass auch Sie der irrigen Meinung sind, dass durch das Abgreifen von Zuschüssen eigene Mittel vervielfacht werden können. Leider nein, vielmehr tappen Leichtgläubige und Geltungssüchtige in eine Schuldenfalle.
Natürlich ist das Gebäude erst mal finanziert, aber dann muss das “Nummer-zu-groß” oder das “Hätten-wir-ja-nicht-gebraucht-aber-Zuschüsse-gab-es” auf Dauer mit Leben gefüllt und finanziert werden.
Auch Regensburg leidet nicht an Zuschussmangel, sondern an Ausgabenüberschuss.
Sind Sie zufälligerweise ein Stadtrat?
Kurzsichtig handelt, wer jetzt und heute Zuschüsse und Födermittel abgreift für Vorhaben die vorrangig dem Prestige dienen. In Zeiten, in denen es an x Stellen nass neiregnet, schafft man sich keinen Rasentraktor für den 400 qm Garten an.
Ich hege keine Aversionen gegenüber dem OB und dem Kulturreferenten, allerdings motiviert deren Handeln zu bissigen Bemerkungen.
grace
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@Lothgassler
Da stimme ich Ihnen voll zu, erlaube mir ergänzend anzumerken:
“vielmehr tappen … Geltungssüchtige in eine Schuldenfalle”.
Der geltungssüchtige Politiker heftet sich den Generationen überdauernden Ruhm des “…des alles hat der Dingsdinger damals baut…” ans Revers.
Wenn der dann mal abtritt, hat die Kosten und negative PR sein Nachfolger an der Backe.
Und erst noch die Steuerbürger, die letztlich für den Protzmist immer zahlen müssen,
denn die können sich nicht aus der Verantwortung stehlen oder anders dagegen wehren, “neitappt” zu werden..
Regensburger
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Mein Kommentar bezog sich nicht in erster Linie auf die Forumsdiskussion hier, sondern auf die von Herrn Aigner geschilderte Debatte im Stadtrat.
Kommentare wie der von Grace, die nicht ohne persönlich abwertende Formulierungen auskommen, sprechen für sich. Sachliche Kommentare mit anderer Meinung finde ich immer gut. Jeder sollte sich aber überlegen, ob die gewählte Formulierung nicht das entwertet, was er/sie eigentlich sagen will.
Jedenfalls bin ich nicht gleich überzeugt, nur weil jemand andere Menschen als geltungssüchtig bezeichnet.
grace
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@ regensburger
“Kommentare wie der von Grace, die nicht ohne persönlich abwertende Formulierungen auskommen”
Welche konkret in dem Kommentar vom 21. Juni 2010 um 13:37 Uhr?
verzweiflung
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Ja für alles ist Geld da, wenn der OB es will. Immer fehlt es an Mitteln, wenn dem OB welche auf die Schaufel gesprungen sind, z.B. die unbotmäßigen Schüler, Lehrer und Eltern der BOS/FOS. Nicht vergessen Unger braucht für seine Wiederwahl einen Erfolg, selbst wenn es teuer erkaufter, wie der des Hauses der Musik ist. Und der Bürgermeister, der auch zu den Unbotmäßigen gehört, muss seine Grenzen erkennnen.
Ein Milliönchen geht noch | Regensburg Digital
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[…] Eine Woche später legte Schaidinger dem Stadtrat einen Antrag auf Förderung für das Haus der Musi…. Den solle man jetzt mal verabschieden. Eine Entscheidung über den Kauf sei damit ja noch nicht gefallen. Es gehe doch nur darum, Zuschüsse zu sichern. Gegen die Stimmen von Grünen, Linken und FDP ging der Antrag durch. […]