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Millionenklage gegen Stadtbau

Ein Berliner Immobilienfonds hat die städtische Wohnbaugesellschaft wegen Rechten an über 700 Wohnungen verklagt. 

Stadtbau-Aufsichtsratsvorsitzender Joachim Wolbergs und Geschäftsführer Joachim Becker sehen sich mit einer Millionenklage konfrontiert. Foto: Archiv/ as

Stadtbau-Aufsichtsratsvorsitzender Joachim Wolbergs und Geschäftsführer Joachim Becker sehen sich mit einer Millionenklage konfrontiert. Foto: Archiv/ as

Von einer „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten hatte Stadtbau-Geschäftsführer Joachim Becker Anfang Oktober gegenüber unserer Redaktion gesprochen. Damals hatten wir ihn zur vorzeitigen Auflösung eines Nutzungsvertrags über 700 Wohnungen mit einer Berliner Fondsgesellschaft befragt. Doch der zweite Vertragspartner, die „Okeanos Immobilien Verwaltungs GmbH & Co. Zweite Immobilien KG“, sieht das offenbar völlig anders: Die Berliner Fondsgesellschaft hat beim Landgericht Regensburg Klage gegen die städtische Tochter eingereicht. Der Streitwert dürfte in die Millionen gehen.

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1999: Ein umstrittener Vertrag über 50 Jahre

Worum geht es?

1999 wurde unter Ägide von Oberbürgermeister Hans Schaidinger und des damaligen Stadtbau-Geschäftsführers Martin Daut ein Millionendeal beschlossen. Einer Kapitalgesellschaft der Berliner Landesbank (heute: besagte Okeanos) wurde im Rahmen eines umfangreichen und höchst umstrittenen Vertragswerks ein sogenanntes Nießbrauchsrecht an rund 700 Stadtbauwohnungen und mehreren Gewerbeobjekten eingeräumt: Der Immobilienfonds sollte für 50 Jahre über Miet- und Pachteinnahmen verfügen dürfen, während die Stadtbau gegen ein geringes Entgelt die Verwaltung jener Objekte übernahm. Im Gegenzug sollte die Kapitalgesellschaft besagte Wohnungen für rund 65 Millionen D-Mark sanieren lassen.

Millionenzahlung bei Kündigung 2023

Pro Jahr sollten dann bis zum Jahr 2049 – regelmäßige Mieterhöhungen noch nicht eingerechnet – knapp drei Millionen Euro auf das Konto der Kapitalgesellschaft fließen, ehe die Rechte an den Wohnungen wieder an die Stadtbau GmbH zurückfallen würden. Als frühestmöglicher Zeitpunkt für eine vorzeitige Auflösung dieses Vertrags wurde das Jahr 2023 vereinbart. Zu den Konditionen einer vorzeitigen Auflösung hieß es in dem Vertragswerk, das unserer Redaktion vorliegt:

„Die Ablösezahlung beträgt bei einer Kündigung nach dem 30.9.2023 unter Berücksichtigung der dem Nießbraucher entgangenen zukünftigen Erträge nach Abzug sämtlicher Kosten nach heutiger Sicht DM 32.500.000,00.“

Im Klartext: Bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags – im Jahr 2023 – müsste die Stadtbau GmbH über 16 Millionen Euro an die Okenanos überweisen – noch ohne Berücksichtigung der Mieterhöhungen seit 1999 und des seither stetig boomenden Immobilienmarktes.

2016: Stadtbau spricht von einvernehmlicher Vertragsauflösung

Insofern ist es durchaus überraschend, dass die Stadtbau GmbH Mitte August – sechs Jahre vor der frühestmöglichen Vertragsauflösung – den betroffenen Mietern der rund 700 Wohnungen mitteilte, dass ab September nicht mehr die Okeanos, sondern wieder die Stadtbau ihr Vermieter sei. Stadtbaugeschäftsführer Joachim Becker bestätigte uns im Oktober, dass die Mieter entsprechend informiert wurden.

Der Vertrag mit der Okeanos sei nach einem gemeinsamen Gespräch vorzeitig aufgelöst worden, so Becker in einem Schreiben an unsere Redaktion, weil die Stadtbau-Wohnungen nicht mehr in die Konzernstruktur der Okeanos passen würden. Die Stadtbau habe dafür eine Entschädigungszahlung geleistet, die eine „stattliche Größenordnung“ erreicht habe, über deren Höhe er aber „wegen der Vertraulichkeit des Vorgangs“ keine Auskunft geben könne. Seine Anmerkung dass es sich „für beide Vertragspartner um eine sogenannte Win-win-Situation“ handle, aber auch der Rest von Beckers Ausführungen, suggerieren eine einvernehmliche Verständigung über die Beendigung des Vertrags.

Okeanos: “Von einer Win-win-Situation kann keine Rede sein.”

Doch wie uns die Rechtsanwälte der Okeanos nun aktuell mitteilen, hat es eine solche Verständigung „nicht gegeben“. Die Stadtbau GmbH gehe „rechtsirrig“ davon aus, dass der Vertrag zwischen ihr und Okeanos beendet sei. „Unsere Mandantin vertritt jedoch zu Recht eine anderslautende Auffassung“, heißt es weiter. Derzeit laufe deshalb ein Klageverfahren vor dem Landgericht Regensburg. „Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung (…) behält der Nießbrauchvertrag volle Gültigkeit.“

Von der von Stadtbau-Geschäftsführer Becker behaupteten „Win-win-Situation“, könne aus Sicht der Okeanos ohnehin keine Rede sein, denn:

„Durch eine vorzeitige Beendigung noch vor der vertraglichen vorgesehenen frühesten Kündigungsmöglichkeit würden unserer Mandantin Mieteinnahmen in erheblichem Umfang entgehen, was von der seitens der Stadtbau-GmbH Regensburg unzutreffenden Ablösesumme nicht ausreichend kompensiert würde.“

Zweistelliger Millionenbetrag zu Lasten der Stadtbau?

Diese „Mieteinnahmen in erheblichem Umfang“ dürften bei Minimum drei Millionen Euro jährlich liegen. Auf die sieben Jahre bis 2023 gerechnet wären das schlappe 21 Millionen Euro, um die es geht.

Die Okeanos besteht – nimmt man das Anwaltsschreiben – auf einer Fortführung bis 2023 zu bestehen oder einer erheblich höheren Ablösesumme, um sich den – 1999 geschlossenen und damals höchst umstrittenen Sanierungs- und Nießbrauchvertrag – gemäß der damaligen Vereinbarungen ordentlich versilbern zu lassen.

Zusätzlich zu den knapp 16 Millionen, die laut Vertrag bei einem Ausstieg vor 2049 fällig werden würden, könnte damit ein weiterer zweistelliger Millionenbetrag auf die Stadtbau zukommen. Ein heftiger Schlag ins Kontor der städtischen Tochter, die in der Vergangenheit ohnehin immer wieder darauf pochte, entweder mehr Geld oder Grundstückseinlagen von der Stadt zu erhalten, um der politisch gewollten Neubautätigkeit auch Rechnung tragen zu können.

Stadtbau gab in erstem Verfahren nach

Nun kommt alles auf das Landgericht Regensburg an, wo laut den Okeanos-Anwälten nicht vor 2017 mit einer rechtskräftigen Entscheidung zu rechnen ist. Wozu das Gericht tendiert, darauf könnte allerdings eine andere Entscheidung in derselben Sache hinweisen: In einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das die Okeanos angestrengt hatte, hat sich die Stadtbau GmbH im Rahmen eines Vergleichs verpflichtet, die Wohnungen bis zu einer endgültigen Entscheidung weiterhin im Sinne der 1999 geschlossenen Verträge zu verwalten und – wie in der Vergangenheit gegenüber den Mietern, aber auch unserer Redaktion geschehen – nicht mehr zu behaupten, dass der Nießbrauch beendet sei. Damit folgte die städtische Tochter – nach eindringlichem Hinweis durch das Gericht – nahezu vollständig dem Antrag der Okeanos.

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Kommentare (11)

  • Lothgaßler

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    So unbedarft kann Becker nicht sein, dass er in eine solche Falle tappt. Ein Rückkauf dieser Dimension muss über viele Tische gelaufen sein, und etliche Juristen haben das wohl gesehen oder hätten um Rat gefragt werden müssen. Die Stadt muss jetzt die Ellbogen auspacken.

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  • Ruth von der Rath

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    Irgendwie habe ich den Verdacht die ‘Rin-in-die-Kartoffeln-raus-aus-die-Kartoffeln-Politik’ beschleunigt sich? Eine mittel/langfristig orientierte Qualität der Entscheidungen ist obsolet?

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  • mkveits

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    Frage in Anbetracht des Satzes:
    “Der Vertrag mit der Okeanos sei nach einem gemeinsamen Gespräch vorzeitig aufgelöst worden, so Becker in einem Schreiben an unsere Redaktion, weil die Stadtbau-Wohnungen nicht mehr in die Konzernstruktur der Okeanos passen würden.”

    Folgt man dieser Aussage, so lese ich daraus, dass der “Trennungswille” von der OKEANSOS ausgegangen ist. Aus welchen Gründen sollte dann kein wirksamer außergerichtlicher Trennungs-Deal möglich gewesen sein, der den Gang zum Gericht ausschloss?

    Im Übrigen: Soweit ich mich erinnere, soll damals der Bay. Kommunale Prüfungsverband das Ausgangsgeschäft über seine Rechtsmäßigeit etc. überprüft haben. Darüber liegen gewiss Unterlagen vor.

    Vor diesem Hintergrund verstärkt sich die Notwendigkeit durch die Gesellschaftsvertreter der Stadtbau GmbH Regensburg als 100 % Tochter der Stadt Regensburg, die gewählten Stadträte, Einsicht in den gesamten Vorgang zu nehmen und die Bürgerschaft, der das Eigentum an der Stadtbau im Grunde zusteht, zu unterrichten.

    Ergo: Es erscheint mir herausragende Aufgabe und Verpflichtung insbesondere der Juristen unter der Räten der Stadt zu sein, ihren Kontroll- und Aufklräungspflichten unverzüglich nachzukommen. Gleiches gilt für die Mitglieder des zuständigen Ausschusses.

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  • Eduardo

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    “OKANSOS” – ein Name mit griechischem Ursprung.
    War da nicht etwa 2001 die Rede davon, dass da Strohmänner im Boot waren?
    Es war ohnehin verwunderlich, dass ein derartiger Vertrag, der nicht nötig war, von der Stadtbau geschlossen wurde.Hat der zuständige OB davon gewußt??? Weil der doch sicherlich nur mit seriösen Firmen verhandelte. Oder sollte die Aufklärungstruppe der StA ´mal drüberschauen?
    Die Eigenschadenversicherung wird in dieser Höhe nicht einspringen. Aber, die Stadt hat ja viel Geld.

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  • Ronald McDonald

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    @ Eduardo 21.11.2016, 12:55h

    “‘OKANSOS’ – ein Name mit griechischem Ursprung” ???
    Glaub’ ich nicht. Eher amerikanischer Ursprung: O’Kansas.

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Kommentare sind deaktiviert

drin