Haus der Musik: Erst kaufen, dann diskutieren!
„Müssen wir darüber wirklich eineinhalb Stunden diskutieren. Ich mache das hier in meiner Freizeit.“ Stadträtin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) ist am Donnerstag sichtlich gereizt. Eine Stunde lang wird im Kulturausschuss zu diesem Zeitpunkt bereits über den größten Brocken der Investitionen in Sachen Kultur debattiert: den Kauf des Präsidialpalais am Bismarckplatz. Ein Haus der Musik soll dort entstehen – vermutlich.
4,3 Millionen Euro will die Stadt Regensburg bis 2014 in Kultur investieren. Das sieht der Entwurf für das neue Investitionsprogramm vor; im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 780.000 Euro. Hört sich gut an, wenngleich es sich auch nur um einen Bruchteil des städtischen Investitionsprogramms von insgesamt 347 Millionen Euro handelt.
Nimmt man zudem den Kauf des Präsidialpalais heraus, der mit einer Million Euro zu Buche schlägt, sind die Investitionen in Kultur tatsächlich um über 200.000 Euro gesunken. Und mehr als ein Immobilienkauf ist es bislang nicht, was der Kulturausschuss am Donnerstag mehrheitlich absegnet – gegen die Stimmen von Grünen, FDP, Linke und ödp.
Der Kaufpreis von einer Million erscheint günstig. Allerdings ist die Informationslage zum Haus der Musik dünn, insbesondere was die Folgekosten für Sanierung und Unterhalt betrifft. Ein Konzept will Kulturreferent Klemens Unger seit längerem „demnächst“ vorlegen.
„Heute geht es nur darum, das Gebäude zu sichern“, beschwichtigt Bürgermeister Joachim Wolbergs die Skeptiker. Der Freistaat Bayern, bislang in Besitz des Präsidialpalais, mache Druck auf die Stadt. „Wir müssen uns entscheiden, sonst wird es auf dem freien Markt angeboten.“ Entsprechend sei es noch nicht an der Zeit, sich über das Haus der Musik zu streiten. Es gehe nur um den Kauf einer Immobilie.
„Wir sollen hier wieder einmal etwas entscheiden, von dem wir nicht wissen, was es werden soll“, wendet dagegen Stadtrat Jürgen Huber (Grüne) ein. Wenn man sich jetzt für den Kauf entscheide, habe man später auch Folgekosten zu tragen und dieses Geld werde an anderer Stelle für Kultur fehlen.
„Die breite Regensburger Musikszene steht hinter der Idee“, zeigt sich Unger dagegen am Donnerstag überzeugt. Kritik am bislang vagen Konzept bezeichnen er und Wolbergs mehrfach als „unfair“. Man hätte ja bei Unger nachfragen können.
Vor dem Hintergrund der bisherige Informationspolitik zum Haus der Musik klingt das wie Hohn. Eine ernstzunehmende schriftliche Vorlage zum Stand der Pläne hat weder der Stadtrat noch der Kulturausschuss je erhalten. Was bislang offiziell zu erfahren war, ist eher dürftig: Die Sing- und Musikschule – derzeit noch um sanierungsbedürftigen Gebäude in der Kreuzgasse beheimatet – soll möglicherweise untergebracht werden, möglicherweise ein Notenarchiv mit Musikalienausleihe, möglicherweise Proberäume fürs städtische Theater, möglicherweise Probemöglichkeiten für Orchester. Möglicherweise beteiligen sich private Investoren an dem Projekt und möglicherweise gibt es Geld aus dem Verkauf des alten Musikschulgebäudes, um das Haus der Musik zu finanzieren. Viele Möglichkeiten, aber auch viele Unwägbarkeiten, insbesondere finanzieller Natur.
Die Genese der Beschlüsse, die schließlich zum Kauf geführt haben, zeigt, dass der Stadtrat nur als Abnickorgan dient, das bei Bedarf so weit informiert wird, wie’s gerade sein muss, um den nächsten Beschluss zu bekommen, um das zu verwirklichen, was Kulturreferent und Oberbürgermeister im stillen Kämmerlein ausgeheckt haben.
Zunächst wurde den Stadträten Anfang Juni eine Tischvorlage präsentiert, in der Zuschussgelder für ein Haus der Musik beantragt werden sollten. In dem entsprechenden Antrag wurden Kosten von zehn Millionen Euro veranschlagt. Ohne ernstzunehmendes Konzept. Das befinde sich gerade „auf der Zielgeraden“, so Unger im Juni. Kritik wurde abgebügelt. „Eine Kaufentscheidung ist damit noch nicht gefallen“, so Oberbürgermeister Hans Schaidinger damals. Es sei aber dumm, keine Förderung zu beantragen. Ob man das Gebäude kaufe oder nicht, ob man ein Haus der Musik mache oder nicht, sei doch noch überhaupt nicht das Thema. Aber man stehe unter Zeitdruck und müsse jetzt wenigstens die Förderung haben. Die Mehrheit nickte pflichtschuldigst ab.
Der Zeitdruck war indessen künstlich erzeugt. Die Idee für ein Haus der Musik war schon seit langem bekannt. Früher war gar die stadteigene Klosteranlage St. Klara dafür vorgesehen, die derzeit zum Verkauf steht. Über den Kauf des Präsidialpalais, wo das Haus der Musik nun untergebracht werden soll, verhandelte die Stadt mit dem Freistaat bereits seit Monaten, ohne dass Informationen nach außen drangen. Schaidinger zeigte sich seinerzeit zufrieden darüber, eine Verwaltung zu haben, die auch etwas geheim halten könne.
Als schließlich eine Million Fördergelder für das Projekt flossen und die Stadt zudem 30 Millionen unverhoffte Gewerbesteuernachzahlungen von BMW erhielt, wurde der Kauf des Präsidialpalais Mitte Juli in den Nachtragshaushalt eingestellt, erneut ohne ein Konzept fürs Haus der Musik. Erneut mit dem Argument Zeitdruck. Diese Kaufentscheidung wurde nun am Donnerstag bekräftigt, nach wie vor ohne Konzept, nach wie vor mit dem Argument Zeitdruck und nach wie vor mit Watschn für die Kritiker, die sich erdreisteten, darüber diskutieren zu wollen.
Wenn das Konzept „demnächst“ vorliegt, wie von Unger versprochen, wird die Diskussion darüber, ob man nun ein Haus der Musik tatsächlich braucht oder nicht, sich schlicht dadurch erledigen, dass die Stadt ja nun ein Gebäude gekauft hat, für dessen Nutzung es – mangels Diskussionsmöglichkeiten und dank Geheimpolitik – keine anderen Vorschläge gibt. Dann wird es Folgekosten geben und dann wird dieses Geld wieder einmal fehlen, für Dinge, die, wie es so oft heißt, „zwar wünschenswert sind, aber die wir uns eben nicht leisten können“.
Alexander Holz
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So schön das Palais auch sich von außen darstellt, aber für musikalische Zwecke ist es nie geeignet gewesen. Der Denkmalschutz und die räumliche Aufteilung passen hier nicht zusammen. Die Schalldämmung in den Räumen ist technisch nicht gegeben.
Bitte, lieber Stadtrat, lass die Hände davon!
Ein Vorschlag: Die städt. Bücherei wäre gut untergebracht und in die freiwerdenden Räume könnte man die Musikschule unterbringen. Das war jetzt nur ein Vorschlag.
Oder aber: Man mietet sich in der Kirchenmusikschule ein, die ohnedies keine steigenden Schülerzahlen mehr hat. Und auch keine mehr haben wird. Dies wäre DER Idealfall!!!
Theo Geißler
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…das ist doch alles sehr kleingestricktes Pipifax. Wer Geld als einziges Betriebssystem unserer Gesellschaft anbetet, der argumentiert so. Deshalb hab ich Huber folgenden offenen Brief geschrieben:
Lieber Jürgen Huber,
traurig, ausgerechnet von Ihnen darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass man als Kulturschaffender Die Grünen zumindest auf regionaler Ebene nicht wählen kann. Was sich Eure Fraktion bei der Beschlussfassung ums Haus der Musik in Regensburg nach allen mir zur Verfügung stehenden Infos geleistet hat, ist ein kleinkarierter Abrechnungsversuch mit einem sicherlich diskussionswürdigen Kulturreferenten, ein primitives Neidhammel-Beispiel für völlig überflüssige Verteilungsrivalitäten zwischen den Künsten und der Nachweis eines Kulturverständnisses unter Strickliesel-Niveau.In der Hoffnung, dass sich für Euch der schmale Tellerrand Eurer kulturpolitischen Engsicht nicht zum Horizont festbetoniert
mit wenig freundlichen Grüßen aber einem herzlichen “Schämt Euch”
Theo Geissler (GF)
ConBrio Verlagsgesellschaft
Neue Musikzeitung, nmzMedia
JazzZeitung, politik & kultur
Oper & Tanz
mail: geissler@nmz.de
web: http://www.nmz.de – http://www.nmzmedia.de
http://www.conbrio.de – http://www.jazzzeitung.de
Alexander Holz
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Das Wochenblatt berichtet heute, dass im Almanach 2010 ein Fach-Artikel über die Nutzung des Palais zu finden ist. Es wird zudem bekannt, dass dem OB diese Aussage schon längst vorliegen soll. Weshalb hat er die verschwiegen?
Das Geplappere von Wolbergs ist damit ad absurdum geführt. Ob er sich bei Prof. Dr. Dünnigner entschuldigt? Da müßte er Größe zeigen. Und die kann man sich bei der SPD (Hartl) nicht vorstellen.
Theo Geißler
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Zitat aus dem “Wochenblatt”: “Für Reidel, einem renommierten Fachmann für die Zeit des Fürstentums in Regensburg, ist das “Haus der Musik” ein – neudeutsches – “No Go”. “Dass da hunderte von lärmenden Kindern mit Pauken und Trompeten durch das Gebäude laufen, halte ich für einen waschechten Skandal” – so Reidel.
Diese Argumentation spricht für sich – vielleicht hat sie Reidel ja irgendeine fürstliche Hohheit eingeflüstert – oder irgendein fanatischer Steindl-Umdreher, der vor lauter Denkmalschutz die Stadt am liebsten entvölkert sähe. Wo jahrzehntelang polizeilicher Amtsstuben-Geist die Zimmerwände imprägnierte täte musikalische Frischluft sicher gut.
Ich habe eine inhaltlich sehr überzeugende Präsentation des Konzeptes für das Haus der Musik durch den Kulturreferenten erlebt – der Plan ist prima – allein die Finanzierung noch im “Aufbau”. Das sollte Regensburgs Kulturschaffende und die Musikszene zu Geschlossenheit und Kreativität animieren – auch was Sponsoren oder mögliche Eigenleistungen betrifft. In den Chor der Erbsenzähler und Berufs-Verhinderer einzustimmen ist jedenfalls der ganz falsche Weg.
gifthaferl
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“Ich habe eine inhaltlich sehr überzeugende Präsentation des Konzeptes für das Haus der Musik durch den Kulturreferenten erlebt – der Plan ist prima – allein die Finanzierung noch im “Aufbau”. ”
Theo Geißler
Ah ja!
Habe ich das nun richtig verstanden:
Es gibt also kein fertiges Konzept, bzw. ein vages, aber jedenfalls keines das man dem alleinigen Beschlussorgan Stadtrat vorlegen würde – dessen alles abnickende Mehrheit das ja wie immer allerdings ohnehin nicht interessiert – Sie aber bekamen ein solches präsentiert – wie schon Goppel im August, der sich vor Begeisterung schier überschlug lt. MZ.?
Wie nun auch bei Ihnen findet sich allerdings leider nirgendwo ein inhaltliches Wort zu diesem “prima Konzept”
“Das sollte Regensburgs Kulturschaffende und die Musikszene zu Geschlossenheit und Kreativität animieren – auch was Sponsoren oder mögliche Eigenleistungen betrifft”
Aha!
Wie kommt man nun an inhaltliche Informationen?
Oder muss man vorab überweisen, damit man möglicherweise auch zu den Auserwählten gehört, die dann immerhin vage oder sonstwie etwas zum „prima Konzept“ erfahren dürfen?
Oder meinen Sie eben nicht die gesamten Regensburger Kulturschaffenden incl. Musikszene, sondern doch nur ganz bestimmte?
Klären Sie mich doch bitteschön auf, damit ich nicht vollkommen blöde sterben muss.
Theo Geißler
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@gifthaferl
Bitte nicht an sich selbst nippen ! – Wenn Sie bei der Konzeption von Kulturprojekten immer zuerst ans Geld denken, werden Sie nicht, wie Sie selbst befürchten, dumm sterben, sondern ganz anders verhungern.
Spass beiseite: Ich bin (gottseidank) nicht in diesem Stadtrat und wundere mich, dass Herr Unger seine wirklich schlüssige Konzeption, (deren kleine Geld-Mangeleien er offen darstellte, die aber behebbar schienen) – dort wohl noch nicht komplett präsentiert hat. Reden Sie doch mal offen mit ihm selbst. Er ist ein überraschend zugänglicher Mensch…
Theo Geißler
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…nur zur Erinnerung: Ca. 5 Milliarden Euronen löhnen wir Steuerzahler für miese, hochbezahlte Spekulanten, für gut vernetzte unfähige gewählte Volksvertreter, für satte Verwaltungs- und Aufsichtsräte nur in Sachen Bayerische Landesbank. Von Hypo Real Estate und den anderen von uns Bundesbürgern zu zahlenden Geier- und Heuschrecken-Pleiten ganz zu schweigen. Da mobbt hier irgendein Kultur-“Kenner” wegen ein paar Milliönchen? Es ist nur noch traurig…
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