Ermittlungen wegen Bauträgerspenden: Was wusste Rieger über das Strohmann-System?
Die Regensburger Staatsanwaltschaft will sich zu den Ermittlungen gegen den CSU-Abgeordneten Franz Rieger nicht äußern. Und auch der Betroffene selbst gibt sich zwei Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe recht schmallippig. Das alles sei “ein alter Hut”.
Sie ist äußerst knapp – die Erklärung, die der Regensburger CSU-Chef Dr. Franz Rieger am heutigen Montag zu den am Wochenende bekannt gewordenen Ermittlungen gegen ihn (unser Bericht vom Samstag) verschickt:
„Von angeblichen Ermittlungen gegen mich weiß ich bisher lediglich aus der Presse. Weder kenne ich ein Aktenzeichen, noch kenne ich wenigstens in groben Zügen die gegen mich angeblich erhobenen Vorwürfe. Vermutlich geht es wieder um den alten Hut von 2013, zu dem ich mich schon vor langer Zeit detailliert und umfassend öffentlich geäußert habe. Ich habe volles Vertrauen in die zuständigen Behörden und werde daher das Resultat der Untersuchungen gelassen abwarten.“
Staatsanwaltschaft: Keine Aussage, kein Dementi
Auch die Regensburger Staatsanwaltschaft äußert sich nicht. „Die Staatsanwaltschaft Regensburg erteilt (…) keine Auskunft, zumal die aktuelle Medienberichterstattung auch nicht auf Auskünfte der Staatsanwaltschaft zurückzuführen ist“, schreibt deren Pressesprecher Oberstaatsanwalt Dr. Markus Pfaller. Auch der Hinweis, dass es – Oberbürgermeister Joachim Wolbergs mal außen vor gelassen – zu den Ermittlungen gegen Hans Schaidinger und Christian Schlegl eigens versandte Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft gab und man Rieger – immerhin Regensburger CSU-Chef und Landtagsabgeordneter – doch die gleiche öffentliche Bedeutung zumessen könne, ändert daran nichts. Die Ermittlungsbehörde äußert sich nicht, dementiert aber auch nicht.
Gesichert fest steht also bislang lediglich, dass die Bayerische Landtagsverwaltung vor knapp drei Wochen den Weg frei gemacht hat für Ermittlungen gegen Rieger. Die Staatsanwaltschaft hatte sich mit einem entsprechenden Beschluss zur „vereinfachten Handhabung des Immunitätsrechts“ an Landtagspräsidentin Barbara Stamm gewandt. Die gab dann in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses (Franz Schindler, SPD) und dessen Stellvertreterin den Weg frei für Ermittlungen gegen Rieger, die auch den Vollzug von Durchsuchungsbeschlüssen und Beschlagnahmen umfassen können. Die Mitglieder des Landtags müssen in einem solchen Fall nicht informiert werden.
Spenden über das Gehalt rückvergütet
Bei den Ermittlungen dürfte es insbesondere um die Stückelung von Parteispenden – ein Verstoß gegen das Parteiengesetz – gehen. Und tatsächlich ist es schon länger offenkundig, dass zumindest vom Bauteam Tretzel gestückelte Spenden über Strohmänner aus der Führungsriege des Unternehmens für den Landtagswahlkampf von Franz Rieger geflossen sind. Das hatte dieser Anfang Februar gegenüber dem Bayerischen Rundfunk weitgehend eingeräumt.
Eine E-Mail Franz W., langjähriger Mitarbeiter und Vertrauter des derzeit angeklagten Baulöwen Volker Tretzel, der der Staatsanwaltschaft bei der Anklage gegen Joachim Wolbergs als Architekt des Strohmann-Spenden-Systems gilt, offenbart eine erstaunliche Selbstverständlichkeit, mit der Firmenspenden als Privatspenden verschleiert und über das Gehalt rückvergütet wurden. Für Riegers Landtagswahlkampf 2013 wies W. vier Führungskräfte bei Tretzel an, 9.950 Euro an diesen zu spenden und versicherte die bereits erfolgte Rückzahlung „mit dem Gehalt“.
Rieger hat sich bislang zu keinem Zeitpunkt dazu geäußert, ob er von dieser schriftlich abgemachten Verschleierung der Parteispenden wusste, verwies lediglich darauf, dass man doch alles „ordentlich verbucht“ und „keine Gegenleistung“ erbracht habe. Doch gerade die Frage, ob der Regensburger CSU-Chef davon wusste bzw., ob ihm dieses Wissen nachgewiesen werden kann, dürfte für eine eventuelle Strafverfolgung eine wichtige Rolle spielen.
“Strohmann-System” war wohl parteiübergreifend
Die E-Mail von Franz W. legt mehr als nahe, dass das im Wolbergs-Prozess inkriminierte „Strohmann-System“ – hier geht es laut Staatsanwaltschaft um neun Tretzel-Mitarbeiter bzw. Personen, die Tretzel nahe stehen – parteiübergreifend praktiziert wurde, wenn auch in etwas kleinerem Stil. Für Franz Rieger ist das, folgt man seiner knappen Presseerklärung von heute, aber nicht mehr als „ein alter Hut“.
Sicher: Der Verdacht, gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben, wiegt weitaus geringer als jener der Korruption – Vorteilsannahme bzw. -gewährung, der beim aktuellen Prozess gegen Wolbergs, Tretzel und andere in Rede steht. Strafbar ist es dennoch, völlig abgesehen von der Frage, was politisch von jemandem zu halten ist, der Verstöße gegen das Parteiengesetz relativiert und kleinredet – entsprechende Aussagen gab es in der Vergangenheit von Wolbergs, Schlegl und Rieger, aber auch Altoberbürgermeisterin Christa Meier.
Die Wortwahl von Rieger erinnert ohnehin recht stark an jene von Joachim Wolbergs, den Rieger von Anfang an scharf attackiert hatte. Kurz nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe gegen ihn, sprach auch Wolbergs davon, dass jede Spende „ordnungsgemäß verbucht“ worden sei. Kritik an der Spendenpraxis für seinen Wahlkampf kommentierte der derzeit suspendierte Oberbürgermeister im Juni 2016 mit Blick auf andere Parteien mit dem Satz: „Sie werden sich noch wundern.“ Die Staatsanwaltschaft ermittle ja nun auch, welche anderen Parteien sonst irgendwie Spenden bekommen hätten. Mit dieser Ankündigung zumindest hat Wolbergs recht behalten.
joey
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Strafrecht hin oder her – politisch sind die Empfänger (hoffentlich) erledigt. Dazu kann und muß die Berichterstattung beitragen.
Den Bürgern von Regensburg (darunter immer noch einige Parteisoldaten) muß klar werden, daß sie selbst diese Gelder bezahlen: durch höhere Kaufpreise und höhere Mieten.
Mr. T
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Ich glaube, dass die Empfänger (leider) so schnell nicht erledigt sind. Da gibt es genug Parteisoldaten, die da fest die Augen zudrücken und die Ohren zuhalten, um nicht ihr politisches Kartenhaus zusammenfallen zu sehen. Die wählen schon immer schwarz oder rot und denen könnte man einen pädophilen Tierquäler vorn hin stellen und sie würden zähneknirschend ihr Kreuzchen machen. Die reden sich das schon schön. Grüne, gelbe oder gar freie würden die nicht wählen. Bis sie vielleicht mal so richtig mit allem gegen die Wand rennen, ihre vielen Ressentiments in ihnen hochkommen und sie dann in ihrem Frust und Hass braune Alternativen wählen.
Giesinger
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Voll lustig, diese Email!
Ich lach mich schlapp!
Schon ein bisserl blöd, die Vorgehensweise dieses sehr einfach gestrickten Stohmannsystems an die vorgesehenen Strohmänner/Mitarbeiter zu versenden.
Um es quasi idiotensicher zu machen? Waren die sich ihrer Sache so sicher? Oder dachten die Beschuldigten/Angeklagten etwa gar “Wir sind die Unberührbaren, die Unantastbaren”?
Ein bisserl Unantastbarkeit ist bei vier Beschuldigten ja wohl zumindest schon während der Untersuchungshaft Flöten gegangen. Einer hat seinen Strafbefehl bereits akzeptiert. Ich bin schon auf den ersten Prozeß gespannt, den vom Angeklagten Wolbergs. Wenn weitere solcher Emails oder Telefonate auftauchen sollten, dann wird’s ja vielleicht zwischendurch auch ein amüsanter Prozeß.
Ach ja, auch noch bemerkenswert. Für das Tätigen einer solchen Überweisung wurden den “Herren Mitarbeitern” (als Zuckerl) jeweils 50.- Euro gewährt.
Lothgaßler
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Dr. Rieger hätte das Geld persönlich gar nicht nötig. Warum also gieren die Damen und Herren dermaßen nach Geld, egal woher es kommt? Wahlkampf und politische Meinungsbildung kosten etwas, das soll auch finanziert werden, aber das muss nicht verschleiert werden.
Wenn nun ausnahmslos alle Spenden und sonstige Zuwendungen an Parteien und deren Geber in einem öffentlichen Register genannt werden würden, und wirklich jeder zu jederzeit sich diese Daten ansehen könnte, dann würde sich ein Teil der Anrüchigkeit verflüchtigen. Parteien sind keine üblichen Vereine, sie suchen die Öffentlichkeit und wollen die Meinung der Öffentlichkeit “bilden”. In diesem Sinne ist es legitim die Finanzierung von Parteien zu durchleuchten.
Geber und Nehmer könnten von der interessierten Öffentlichkeit auf ihr Verhalten hin beobachtet werden, und dann würde so manche Entscheidung wesentlich offener vorbereitet und begründet.
Unter sonstige Zuwendungen fallen für mich auch Jobwechsel in gut bezahlte Posten der Wirtschaft/ Industrie bzw. Beraterverträge. Diese Posten und Beraterverträge gäbe es nämlich ohne die parteipolitische Vorgeschichte und der dann vorhandenen Kontakte in die Politik idR. nicht.
Ob zum Wahlkamp inhaltslose Wahlplakate (Ball halten) gehören? Mag sein, aber politische Meinungsbildung bedarf Inhalte. So verschandelt Wahlwerbung nur das Landschaftsbild.
Regensburger
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Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Ein Zuschlag von 25 Millionen für die politischen Parteien
aber kein Geld für die Renten.
Also Leute was wollt ihr von der korrupte Politik???
Der Fisch stinkt vom Kopf.
Matthias Beth
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Es liegt an den wahlberechtigten Bürgern die Vertreter der Parteien, die Spenden erhielten, gestückelt um der Veröffentlichung zu entgehen, nicht merh zu wählen! So einfach ist das!
Interessant wird sein wie das Finanzamt reagieren wird! Im Sinne der Steuergesetzgebung waren das keine Spenden derjenigen die die Beträge offiziel spendeten. Hier müssten diejenigen eine geänderte Einkommenssteuererklärung erhalten mit der Aufforderung zur Nachzahlung!
Gisela Odner
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-..euch 10.000.- gestern mit dem Gehalt gezahlt..-
Wie ist denn das steuerlich zu sehen? Die 50€ wären dann doch ein bisserl wenig, auch wenn ggf. ‘der euch’ in der Steuererklärung den gespendeten Betrag angibt.
mkv
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Wo bleibt die präventive “Schleier-fahnung”? Lüftet den Schleier! Alle der Intransparenz Verschworenen vor allem in CSU und SPD: Abtreten bzw. abwählen!
Dazu die
Rechenschaftsberichte der Parteien für 2016.
“Wer die Parteien mit wieviel Geld „sponsert“ bleibt danach ebenso unklar wie die Frage, wer hinter der millionenschweren Wahlkampf-Unterstützung für die AfD steckt, die über einen dubiosen Tarnverein und die Schweizer Werbeagentur Goal AG abgewickelt wurde.”
https://www.lobbycontrol.de/2018/06/parteienfinanzierung-foul-an-der-demokratie/#pk_campaign=20180614&pk_source=nl
Mr. T.
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Was Rieger konkret vorgeworfen wird, ist interessant. Das würde Wolbergs fast in den Schatten stellen. Jetzt bin ich gespannt, wer noch alles mit in den Strudel gerät.
mkv
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Apropos “Strudel”
Man nehme 200 g Mehl – 1 Eigelb – 2 Esslöffel bestes Öl, 70 ml Wasser. Gut poc á poc vermengen, rühren, schlagen, heulen, weinen, zornig …. sein und dann ruhen lassen.
Allerlei technische Kniffe zum “Aus- und späteren Aufrollen” des bürgerschaftlichen Teiges muss man vorbereiten, um dann zügig das kaum mehr genieß- und wählbare Rest-gemüse darin zu ver-senken. Zusammen-rollen und ab zu den vor-geglüten 200 Grad Ober- und Unterhitze.
Erweist sich das Ergebnis ohne Biss, dann ggf. ab in den Donau-Strudl bei die Fische.
Mit frischem, knackigem Gemüse erneut durchstarten. Schon werden die Tage bald wieder kürzer, ein Back- und Wahlherbst jagt den anderen.
Außen muss der Strudl Farbe haben, ein wenig wie das goldene Dach in Lappersdorf, eine Ausstrahlung halt samt ersten Geschmacksträgern.
Das Wichtigste ist jedoch der Inhalt: er muss eine Offen-bar-ung sein und den Geschmack der Mehrheit treffen, denn (poetische*) Bindung geht durch den Magen.
—
(*) Konstantin Wecker im letzten Schlachthof
poiētēs = schöpferischer Mensch