Das Brot der Armen
„Die meisten Passanten sind ganz irritiert“, sagt Susana Nevado. Sie beschreibt gerade ihre Kunstaktion „Das Brot der Armen“, bei der 1.000 Brote in der Regensburger Innenstadt verschenkt werden. „Die Menschen wollen dafür bezahlen. Sie sind es nicht gewohnt, etwas umsonst zu bekommen.“
Nevado lebt in Turku, Finnland, und arbeitet an der dortigen Kunstakademie. Sie ist Spanieren, hat also selbst einen Migrationshintergrund. 2012 war sie schon einmal in Regensburg, als sie mit einem Stipendium der finnischen Kulturstiftung für sechs Monate im Andreasstadel mit hiesigen Künstlern zusammenarbeitete.
Brote von Migranten- und Flüchtlingsfamilien
Jetzt ist Nevado auf Einladung der Volkshochschule wieder da. In der Sigismundkapelle des Thon-Dittmer-Palais stellt sie einige ihrer Werke, die sich mit den Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen auf menschliche Grundbedürfnisse beziehen, unter dem Titel „Unser tägliches Brot“ aus. Viele Arbeiten entstanden während ihrer „Regensburger Zeit“, sagt sie selbst, in Kooperation mit Markus Genzwürker, Paul Leu und Katharina Ganslmeier.
Am Mittwochabend findet die Vernissage der Ausstellung, die noch bis zum 28. November zu sehen ist, statt. Zum Auftakt hat Nevado die Aktion „Das Brot der Armen“ gemeinsam mit Regensburger Migranten- und Flüchtlingsfamilien umgesetzt. Eine syrische Familie, die erst seit zwei Monaten in Regensburg ist, hat sie eingeladen. Sie wird stellvertretend für die vielen anderen Helfer begrüßt, die Brote nach Rezepten ihrer Herkunftsländer und Kulturen gebacken haben.
Vernetzung war gar nicht so einfach
Doch die Organisation der Aktion war gar nicht so einfach, erzählt Nevado. Bei vielen Anlaufstellen in Regensburg habe sie vergeblich versucht, Unterstützung für ihr „Happening“ zu erhalten.
Dabei ging es Nevado gar nicht um Geld – die Aktion sei von finnischer Seite bereits finanziert gewesen. „Was ich brauchte, war Vernetzung“, sagt sie. Den Kontakt zu den einzelnen Familien herzustellen, die die Brote für die Vernissage backen konnten – das sei eigentlich das schwierigste gewesen.
Hilfe habe sie letztlich vor allem vom Stadtteilprojekt Ost erhalten. Dennoch sind die 1.000 Brote für ihre Aktion nicht ganz zusammengekommen. Dankenswerterweise habe eine lokale Bäckerei ausgeholfen.
„Es fehlt der menschliche Kontakt”
Liebevoll sind die Brotlaibe in Papiertüten verpackt und am Haidplatz sowie im Innenhof des Thon-Dittmer-Palais aufgebaut. Beschienen werden sie von Kerzenlicht. „Nehmen Sie gleich mehrere mit“, regt die Künstlerin die Besucher der Vernissage an. „Die Brote können Sie auch einfrieren und später essen.“
Auch der Rest der Ausstellung kann sich sehen lassen. Großflächige Acrylmalereien, die beispielsweise grafisch verfremdete Menschen beim Brotbacken zeigen, oder ein überdimensioniertes „AMEN” auf gelbem Untergrund, zusammengesetzt aus Wachsreliefs mit Shell-, IKEA- oder Mercedeslogo, stellen das Brot als Grundnahrungsmittel und die wirtschaftliche Wucht des Kapitalismus gegenüber. Immer wieder wird in diesem Spannungsfeld auch die persönliche Erfahrung des Einzelnen in den Vordergrund gerückt. So sind die Ausstellungsbesucher eingeladen, Sprüche der eigenen Mutter, an die man sich aus Kindheitstagen erinnere, auf einer Haushaltsschürze zu verewigen.
Nevado möchte mit ihrer künstlerischen Arbeit vor allem Fragen aufwerfen. Gerade die Themen Armut und Migration beschäftigen sie. „In Finnland hatten wir vor etwa fünfzehn Jahren dieselbe Situation wie heute in Deutschland“, sagt sie. Den Regensburger Bürgern fehlt es ihrer Ansicht nach im Moment noch an Bewusstsein für Migranten und Flüchtlinge sowie deren wirtschaftlich-soziale Situation – und an menschlichem Kontakt. Ein afrikanisches, indisches oder persisches Brot auf dem Teller kann da vielleicht ein Anfang sein.
Ausstellung „Unser tägliches Brot”, Sigismundkapelle im Thon-Dittmer-Palais, 30. Oktober – 28. November 2014.
Sita Angelika Völkel
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Super Kunstaktion! Ich konnte leider bei der Vernissage nicht dabei sein, werde mir aber sicherlich die Ausstellung ansehen!