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Crystal Meth: Forscher widersprechen MdB Schieder

Offener Brief von Dr. Bernd Werse, Goethe-Universität, Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Centre for Drug Research an die Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder (SPD) Sehr geehrte Frau Schieder, da Sie sich in Ihrer Pressemitteilung direkt auf eine von uns durchgeführte Studie beziehen, möchte ich dazu kurz Stellung beziehen: Zunächst halte ich die Formulierung, dass Bayern “von dem Methamphetamin Crystal überschwemmt” würde, für deutlich übertrieben. Zwar nehme ich zur Kenntnis, dass tatsächlich mehr Methamphetamin aufgegriffen wird, aber das Bild der “Überschwemmung” passt meiner Meinung nach nicht. Zumal die Steigerungen der polizeilichen Aufgriffe ja auch immer die Verfolgungsbemühungen der Polizei selbst wiederspiegeln, und ich bin sicher, dass man da in den letzten Jahren deutlich aufmerksamer geworden ist. Über Drogentote aufgrund von Meth gibt es im Übrigen bislang meines Wissens keine verlässlichen Informationen. Da bereits seit längerem bekannt ist, dass in Tschechien in relativ großem Ausmaß Meth produziert wird, dürfte auch das Phänomen des Meth-Exports kein neues sein (im Unterschied zur polizeilichen Verfolgung des selbigen), weshalb auch die Behauptung, das hätte etwas mit der relativ liberalen tschechischen Drogenpolitik zu tun, nicht haltbar ist. Die liberalen Regelungen wurden übrigens auch eingeführt, nachdem Tschechien bereits hohe Prävalenzraten bei Cannabis und synthetischen Drogen aufwies; seitdem sind diese nicht weiter gestiegen. Zudem erscheint es nicht plausibel, weshalb der Umstand, dass in Tschechien selbst bis zu 2 Gramm geduldet werden, einen Einfluss auf das Exportgeschäft (in Länder, in denen immer noch dieselben repressiven Bedingungen herrschen) haben soll, zumal professionelle Dealer ohnehin stets mehr als 2g mit sich führen dürften. Auf Bundesebene wie auch z.B. hier bei uns in Frankfurt (wo wir dies mittels einer langjährigen Monitoringstudie klar dokumentieren können) schlägt sich übrigens der angebliche Crystal-Trend nicht nieder, obwohl die Droge bereits seit einigen Jahren immer wieder in der Diskussion ist. Selbst wenn in letzter Zeit das Angebot von Meth erhöht worden sein sollte, bedeutet dies noch lange nicht automatisch eine Steigerung der Prävalenz – immerhin wird seit geraumer Zeit extensiv über die Risiken der Droge diskutiert, was auch die meisten Jugendlichen mitbekommen. Unsere Erkenntnisse deuten nicht darauf hin, dass – abgesehen von ohnehin psychosozial stark Gefährdeten – Jugendliche (wie Sie behaupten) diese Risiken “vielfach” unterschätzen würden. Vielmehr geben in unseren Studien selbst regelmäßige/intensive Konsumenten synthetischer Drogen oft eine ganze Reihe von Gründen dafür an, Crystal Meth nicht zu konsumieren (selbst wenn es bereits probiert wurde und – entgegen der Behauptung der sofortigen Abhängigkeit – der Konsum umgehend wieder eingestellt wurde). Nun zu dem Punkt, der unsere Online-Befragung zu Legal Highs betrifft: hier ist mir gänzlich unverständlich, weshalb und wie Sie diese Studie, die sich auf neue, (noch) nicht illegalisierte synthetische Drogen bezieht, als Grundlage für die Prävention einer bereits seit langer Zeit illegalen Droge verwenden möchten. Dass man über die spezifischen Gefahren spezifischer Drogen differenziert aufklärt, halte ich für eine sehr gute und wichtige Sache, aber hier passt das eine nicht so recht zum anderen. Im Übrigen halte ich es aber für kontraproduktiv, immer wieder eine vermeintliche “anrollende” Meth-Welle zu beschwören. U.a. unsere Studie zu “Spice” hat gezeigt, dass extensive Medienberichterstattung über bestimmte Drogen – sei sie auch noch so abschreckend – erst eine (zusätzliche) Nachfrage dafür auslösen kann. Abschließend möchte ich noch mein Bedauern darüber ausdrücken, dass sich Ihre Pressemitteilung – vor allem die Einlassung zur “liberalen Drogenpolitik” in Tschechien ein weiteres Mal in das in den letzten Jahren aufgekommene Bild der SPD als “Verbotspartei” im Hinblick auf Drogenpolitik einpasst. Ich habe den Eindruck, Ihre Partei war da schon mal weiter – und das, wo sich anderorts auf der Welt zunehmend der Gedanke durchsetzt, dass strikte Repression vor allem massive Folgeprobleme mit sich bringt, den Betroffenen kaum hilft, sowie dass liberalere Bedingungen eben nicht zu erhöhten Konsumentenzahlen führen. Mit freundlichen Grüßen, Bernd Werse

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Kommentare (6)

  • Christian

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    Herrn Dr. Bernd Werse ist wohl der aktuelle Drogen- und Suchtbericht vom Mai 2012 noch nicht bekannt.

    http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Presse/Downloads/12-05-22_DrogensuchtBericht_2012.pdf

    Aber vielleicht sollte er sich mal für eine Woche in das Grenzgebiet rund um Furth i.W. begeben, dann würde dieser vielleicht anders und vor allem objektiver urteilen. Fakt ist, dass auf den Vietnamesenmärkten hinter der Grenze offen mit Drogen aller Art gedealt wird und diese Dank des “tollen” Abkommens von Schengen tatsächlich den Ostbayerischen Raum überschwemmen. Ich bin kein Freund der SPD und Frau Schieder, aber in diesem Punkt hat sie vollkommen recht.

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  • Wissenschaftler kritisiert Schieders „Kampfansage“ gegen Crystal Meth | Regensburg Digital

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    […] Das mag gut gemeint sein, allerdings: Ein Wissenschaftler, auf dessen Untersuchung Schieder sich bezieht, um ihre Aussagen zu untermauern, hat der Abgeordneten nun vernehmlich widersprochen. Einige Aussagen seien „deutlich übertrieben“, zum Teil sogar falsch, schreibt Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research an der Goethe Universität Frankfurt in einem offenen Brief an Schieder und die SPD-Bundestagsfraktion.Werbung […]

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  • Neueste Psychosozial Nachrichten — Psychosoziale Gesundheit | Psychosoziale Beratung | Psychosoziale Therapie | Psychosoziales Forum | Psychosozialer Online Dienst

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  • Linger

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    In der Oberpfalz, nimmt dieses “Problem” Übermaß! Niemand aus Frankfurt ist sich dieser Problematik bewusst!! Bayern und Sachsen MÜSSEN die Grenzen schließen! Ich kam selbst vor 6 Jahren von diesem Teufelszeug wieder los, meine Freunde NICHT!

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  • Alex

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    Das sind alles keine neu Konsumenten,sondern meistens Leute die schon seit Jahren andere o ähnliche Drogen konsumieren. Deswegen kann man auch nicht von einer Überschwemmung sprechen.

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  • Kenny

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    Es gibt keine neue Methwelle in dem Sinne.
    Methamphetamin wurde vor ca. 80 (!) Jahren in den deutschen Temmler-Werken hergestellt.

    Chemisch rein in pharmazeutischer Qualität unter dem Namen “Pervitin” in Tabletten, Panzerschokolade, Fliegermarzipan,

    Es gab sogar Pralinen gegen “Hausfrauendepression” und Übergewicht :)
    Auch in der Nachkriegszeit fand es rege Anwendung da es zum Wiederaufbau stark beitrug.
    Der Blitzkrieg gilt heute von Historikern die sich mit der Thematik befassten als Methamphetamin-gesteuert wenn nicht gar Methamphetamin-begründet.

    Kann nur empfehlen, schaut euch auf Youtube die Dokumentation
    “Schlaflos im Krieg” an. HOCHINTERESSANT !

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