Regensburg, die Challenge und der Prinz von Zamunda
Bei der Debatte um den Challenge-Triathlon in Regensburg lohnt es sich, einen Blick auf die „Challenge Family GmbH“ zu werfen. Mit dem nach außen propagierten Image einer großen Familie hat das Franchise-Unternehmen kaum etwas zu tun. Und sollte die Veranstaltung in Regensburg scheitern, wäre das nur eine von vielen.
Endgültig gescheitert ist der Challenge-Triathlon in Regensburg noch nicht, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Einen CSU-Antrag, den Vertrag mit den örtlichen Organisatoren fristlos zu kündigen, lehnten die Stadträte im Bildungs- und Sportausschuss bei ihrer Sitzung am Donnerstag zwar ab, klar wurde dabei aber auch: Sollten sich die Eheleute Tajsich, deren Purendure GmbH das Rennen vor Ort federführend verantwortet, nicht mit dem Lizenzgeber „Challenge Family GmbH“ einigen können, wird die Stadt den eigentlich noch bis 2020 laufenden Vertrag für das Rennen vorzeitig auflösen. Damit würden Geld- und Sachleistungen zur Anschubfinazierung in Höhe von 275.000 Euro jährlich wegfallen. Das Rennen stünde vor dem Aus.
Kündigung per Pressemitteilung
Der Anlass: Die „Challenge-Family“, im Kern ein Franchise-Unternehmen, das Logo und Lizenz verkauft, um dann den örtlichen Organisator weitgehend sich selbst zu überlassen, hatte – offenbar ohne jede Vorankündigung – vergangene Woche per Pressemitteilung bekannt gegeben, dass man sich „mit sofortiger Wirkung“ von der Purendure GmbH & Co. KG der Tajsichs trennen werde.
Auslöser war ein Interview, das der Regensburger Challenge-Organisator und Purendure-Geschäftsführer Thomas Tajsich dem Szene-Portal triathlon-szene.de gegeben hatte. Er ist Ehemann der Triathletin Sonja Tajsich, die das Aushängeschild für das Event geben sollte.
Tajsich plauderte in dem auf YouTube veröffentlichtem Gespräch wohl etwas zu viel aus dem Nähkästchen, auch manch kritische Äußerung über die Challenge Family GmbH fiel. Und deren Reaktion deutet darauf hin, dass es schon länger zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer gebrodelt haben dürfte.
Das Unternehmen bezeichnet Tajsichs Äußerungen im Interview als „geschäftsschädigendes Verhalten“. Family-Geschäftsführer Zbigniew Szlufcik verschickt nun E-Mails, in denen die Challenge Regensburg für 2018 abgesagt wird und bereits gemeldeten Startern Rabatte für andere Rennen angeboten werden. Die Stadt Regensburg als Unterstützerin des Rennens erhielt dagegen bislang noch keinerlei verwertbare Mitteilung der Challenge Family.
Tajsich hat derweil einen Anwalt eingeschaltet und die Kündigung als unwirksam bezeichnet, aber es sieht nach einem Kampf David gegen Goliath aus, bei dem die „Challenge Family“ über weit mehr Marktmacht und Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit verfügt als die „Purendure GmbH & Co. KG“ von Tajsich.
Nun hat die Stadt von beiden Beteiligten eine Stellungnahme bis zum 24. November gefordert. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sagte am Donnerstag mit Blick auf die von der „Challenge Family GmbH“ verkündete Kündigung und den damit möglicherweise verbundenen Wegfall des Challenge-Logos aber: „Wenn sich das bewahrheitet, ist für den Vertrag (mit der Purendure GmbH, Anm. d. Red.) keine Grundlage mehr da.“ Kurz gesagt: Das diesjährige Rennen wäre damit das letzte gewesen.
Man muss kein Hellseher sein, um zu prognostizieren, dass dies für Sonja und Thomas Tajsich ein ruinöses Szenario wäre. Allein der Challenge-Triathlon 2016 schlug nach Informationen unserer Redaktion mit einer runden Million Euro bei Purendure zu Buche – Kosten, die städtischen Sachleistungen, Ausfallgarantien und Startgeldern in Höhe von 400 Euro pro Teilnehmer zum Trotz sicher ein Defizit bei der recht jungen Klein-GmbH verursacht haben dürften.
Die Diskussion darüber, welche spezifischen Regensburger Gründe es für das möglich Scheitern einer weiteren Triathlon-Großveranstaltung gibt, wird unter vielerlei Aspekten beleuchtet. Außen vor bleibt bislang die Rolle der “Challenge Family GmbH”, jenem Unternehmen, dessen Vertreter bei einer städtischen Pressekonferenz 2015 mit warmen Worten für diese “familiäre”, “langfristig angelegte” und den “Blick auf die Region” wahrende Veranstaltung warben. Ein kurzer Blick zurück und in die Strukturen dieses Unternehmens.
Utopische Zahlen und absurde Versprechungen
„Wenn wir hier keine 250.000 Zuschauer schaffen, dann bin ich der Prinz von Zamunda“, war einer jener denkwürdigen Sätze, die Family-Geschäftsführer Szlufcik bei der Vorstellung des Challenge Regensburg im März 2015 von sich gab. Szlufciks Mitgeschäftsführer Felix Walchshöfer versprach seinerzeit im ersten Jahr 1.500 Teilnehmer, langfristig könne man in Regensburg – ähnlich wie in Roth, dem Ursprungsort der Challenge – auch 5.000 Teilnehmer knacken.
All dies waren durchweg utopische Zahlen, um es milde auszudrücken, und die Purendure GmbH wäre mit der „Challenge Regensburg“ nicht der erste Franchise-Nehmer der „Challenge Family GmbH“, der über dieses PR-Vokabular stolpert.
Blickt man auf die Internetseite des Family-Unternehmens erwarten einen großformatige Fotos von begeisterten Publikumsmassen und Pulks von Triathleten – Fotos, die fast ausschließlich aus Roth stammen – dem Ursprungsort der Challenge, die sich dort 2002 als Konkurrenzunternehmen zum Ironman gegründet und es tatsächlich geschafft hat, den weltweit größten Wettkampf auf der Triathlon-Langdistanz zu etablieren.
Hier gehen alljährlich 3.500 Athleten an den Start, hier jubeln ihnen regelmäßig über 250.000 Zuschauer zu und hier gibt es auch ein eigenes Unternehmen, das geschäftlich getrennt von der „Challenge Family GmbH“ operiert: die „Team Challenge GmbH“ um Felix Walchshöfer. Nur wenige Monate nach dem Regensburger Pressetermin, bei dem er sich noch so familiär und engagiert gegeben hatte, legte Walchshöfer im Oktober 2015, seine Position als Geschäftsführer der „Challenge Family GmbH“ nieder, um sich von da ab ausschließlich dem Rennen und Geschäft in Roth mit eigener GmbH zu widmen, dort, wo es tatsächlich wirtschaftlich lukrativ ist, eine solche Veranstaltung zu organisieren.
Kaum ein Challenge-Rennen wurde älter als fünf Jahre
Völlig anders sieht es bei den allermeisten der übrigen Challenge-Veranstaltungen aus, die zwar dasselbe Logo tragen und denselben Homepage-Bausatz aufweisen, aber von örtlichen Organisatoren durchgeführt und finanziert werden.
Diese Organisatoren – in Regensburg die Purendure der Tajsichs – tragen vor Ort in der Regel das komplette Risiko, sorgen für Ausstattung und Preisgelder und überweisen für die Nutzung des Challenge-Logos eine fünfstellige Lizenzgebühr plus Beteiligung bei den Startgeldern an die „Challenge Family GmbH“. Zur Ausgestaltung der entsprechenden Verträge ist zwar nichts bekannt, doch erfolgreich – für die örtlichen Veranstalter – scheint das Modell nicht zu sein.
Aktuell weist die Homepage der „Challenge Family GmbH“ 35 Rennen aus. Abgesehen von den Rennen in Roth (2002), Wanaka in Neuseeland (2007) und Walchsee in Österreich (2010) gibt es ausweislich des entsprechenden Wikipedia-Artikels keines dieser Challenge-Rennen länger fünf Jahre. 20 dieser Rennen fanden 2016 und 2017 zum ersten Mal statt – so wie Regensburg, das nun auf der Kippe steht.
Es gibt keine zehn Challenge-Triathlons wie in Regensburg
Betrachtet man bereits eingestellte Challenge-Rennen – wie etwa in Aarhus, Barcelona oder Atlantic City, auf Wikipedia werden knapp 20 ehemalige Challenge-Veranstaltungen ausgewiesen – hat sich keines dieser Rennen länger als fünf Jahre gehalten, ehe es vom Marktführer Ironman aufgekauft, sich ohne Challenge-Logo selbständig gemacht hat oder komplett eingestampft wurde. Kein besonders langlebiges Konzept offenbar. Für zwölf der 35 Challenge-Rennen auf der aktuellen Firmenhomepage gibt es bislang noch keinen festen Veranstaltungstermin für 2018.
Eine Langdistanz so wie in Regensburg wird ausweislich der Homepage bei gerade einmal sieben Challenge-Veranstaltungen angeboten. Die maximale Teilnehmerzahl auf dieser Distanz liegt – abgesehen von Roth natürlich – bei allenfalls 500, in der Regel deutlich darunter. Regensburg lag insofern mit Zahlen zwischen 300 und 400 sogar noch gut im Schnitt. Wirtschaftlich tragbar scheint es hingegen nicht zu sein. Und wer darüber öffentlich redet oder sich gar über die GmbH beschwert – wie Thomas Tajsich – der fliegt.
Kommentar: Die Claqueure sind verstummt
Auf wen man sich bei der „Challenge Family GmbH“ einlässt, hätten sowohl Oberbürgermeister Joachim Wolbergs als auch Veranstaltungsorganisator Thomas Tajsich zumindest ahnen können, wenn sie sich vorab vernünftig informiert hätten. Doch man ließ sich von dem Glanz aus Roth blenden und glaubte die Mär der großen Challenge-Familie, ohne hinter die weitere Struktur eines knallhart agierende Unternehmens zu blicken, das sich seit Jahren mit dem Marktführer Ironman um den nicht unbedingt großen kommerziellen Triathlon-Kuchen streitet – oft genug auch vor Gericht.
Den Stadträten der bunten Koalition war die Entscheidung 2015 ohnehin weitgehend egal – sie nahmen bis auf zwei nicht einmal an der Informationsfahrt nach Roth teil. Die Entscheidung wurde abgenickt, weil es sich ein fest im Sattel sitzender Oberbürgermeister Joachim Wolbergs eben so wünschte und man diesen nicht verärgern wollte. Die damals weitgehend sachlich begründete Ablehnung durch CSU und Linke wurde mit Häme und Herabwürdigung bedacht.
Durch seine selbstherrliche Art mit der damals geäußerten Kritik umzugehen, anstatt – und das hätte man durchaus gekonnt – selbsttätig und offensiv darüber aufzuklären, warum nun Thomas und Sonja Tajsich all das machen sollten, wo ihn doch Sonja Tajsich im Wahlkampf unterstützt hatte (Zitat Wolbergs damals: „In dieser Stadt darf man ja nicht einmal mehr mit jemand befreundet sein.“), trägt Wolbergs auch eine gewisse Mitverantwortung dafür, dass die Tajsichs nun aktuell in den Ruch der Korruptionsaffäre gerückt werden.
Zu Unrecht zwar, wie eine Prüfung der Staatsanwaltschaft und ein Vergleich der Verträge für Ironman und Challenge ergab, aber spätestens mit Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Wolbergs im Juni 2016 dürfte es schwer bis unmöglich für die Tajsichs gewesen sein, Sponsoren für die ohnehin umstrittene Veranstaltung zu finden, um das zuvor unterschätzte Defizit noch irgendwie zu decken.
Geld verloren haben, außer der Challenge Family GmbH, alle Beteiligten: Die Stadt Regensburg und Rennorganisator Thomas Tajsich. Der hat sich mit einer Mischung aus übertriebenem Optimismus, wohl auch etwas Selbstüberschätzung und Vertrauen auf den damals noch völlig unumstrittenen und beliebten Oberbürgermeister in ein Abenteuer gestürzt, bei dem ihn viele bestärkt haben und steht nun allein da.
Vom familiären Image der Challenge-Geschäftsleute ist nichts geblieben. Wolbergs kann ihm nicht mehr helfen. Die Debatte im Stadtrat zum Streit mit der „Challenge Family GmbH“ am Donnerstag zeigt, dass die früheren Abnicker in der bunten Koalition nur noch eine kurze Schamfrist brauchen, um sich von der Veranstaltung zu trennen. Und der einst so freundlich gesonnene Medienpartner Mittelbayerische Zeitung, die 2015 noch unkritisch in das Jubelgeschrei ob der Challenge Regensburg eingestimmt war, ist schon lange von der Fahne gegangen.
Dieter
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Ich bin zwar kein Gegner der Challenge oder sonstiger Großveranstaltungen, aber ein Gschmackl hatte das ganze von Anfang an. Kritisch darüber berichtet hatte nur RD.
Lothgaßler
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Eine Klientel darf nicht unerwähnt bleiben. Diese profitiert zwar gerne von diesen Groß-Events, aber steuert selber selten bis nix zum Gelingen bei. Wo bleibt das Engagement der Touristik-Wirtschaft (Hotels, Gaststätten, Kaufhäuser)? Angeblich nimmt doch jeder Teilnehmer zig Personen mit und diese geben dann Unsummen in der Stadt aus.
Tajsich hat zum Betrieb der Purendure und der Challenge scheinbar zwei GmbHs gegründet (Purendure Veranstaltungs GmbH -> kontrolliert -> Purendure Event GmbH & Co. KG). Über dieses Konstrukt haftet die GmbH als Komplementär für die GmbH & Co. KG, und zwar begrenzt! Brandneu (veröffentlicht 17.11.) kam eine dritte Klein-Gesellschaft hinzu (Empire Race Sportevents UG, Einlage 1.000 Euro). Quelle: https://www.northdata.de/Purendure+Veranstaltungs+GmbH,+Regensburg/HRB+14472
Sowohl die GmbHs, als auch die UG können mit ihren Einlagen und Haftungsbegrenzungen die Sport-Großevente seriös nicht absichern.
Ob bei diesem Konstrukt Herr oder Frau Tajsich persönlich haften ist unklar. Tajsich jedenfalls will sich offensichtlich über die Klein-GmbH named UG vor neu einzugehenden Risiken absichern.
Toni H.
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Ein Überdenken der Organisation kann jedenfalls nicht schaden:
Ich habe die Challenge 2016 als unfreiwilliger Zuschauer miterlebt.
Auf der Heimreise vom Urlaub, Autobahn zugestaut (ein “schlau” gewählter Termin der mit Ferienende in ich weiss nicht welchen Bundesländern zusammenfiel), auf Landstrassen aus keiner Richtung möglich in die Stadt hinein und damit nach Hause zu kommen! Das nenne ich die breite Masse der Bürger vera….en.
Walburga
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Ich hab die Challenge genießen können kein Verkehr vor der Wohnung und viel junge Menschen unterwegs. Was solls da kann man schon mal im Stau stehen, so wie auch an den anderen 200 Tagen im Jahr.
Florian
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Als Einwohner der Stadt und Betroffener bin ich nur minimal traurig wenn es mit dieser Veranstaltung ein Ende findet. Hier werden Gewinne weniger auf den Rücken der Einwohner erwirtschaftet. Das Ganze kann genauso gut vor den Toren der Stadt stattfinden.
dugout
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Die gesamte Triathlon und Marathonbranche will einfach nicht einsehen das die große Zeit dieser Cityveranstaltungen mindestens 5 eher 10 Jahre vorbei ist.
Seit Jahren wird gnadenlos bei den Zuschauerzahlen gelogen das sich die Balken biegen. Medienunteresse ist selbst bei den Spitzenevents wie Berlinmarathon nicht vorhanden.
Eine Branche von Selbstdahrstellern mit einem toten Geschäftsmodel .
Aus dem Redaktionstagebuch » Regensburg Digital
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Aus dem Redaktionstagebuch (4/17) » Regensburg Digital
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Challenge-Triathlon findet nicht statt » Regensburg Digital
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