28 Jan2009
Stadtrat: Transparenz bleibt außen vor
Spärlich sind die Rechte, die einem Stadtrat zur Verfügung stehen, um eine seiner Kernaufgaben – die Kontrolle der Verwaltung – auszuüben. Das durften die Regensburger Stadträte am Mittwoch erfahren. Bei der Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses standen zwei Anträge auf Änderung der Geschäftsordnung zur Diskussion. Das Thema: mehr Transparenz.
Geschlossen beantragten sämtliche Vertreter der Opposition einen Passus in die Geschäftsordnung aufzunehmen, der Stadtratsmitgliedern jederzeit das Recht einräumt, Abschriften der Sitzungsprotokolle zu erhalten. Bislang lag die Entscheidung darüber im Ermessen des Oberbürgermeisters. Eine Zusage aus dem Jahr 2006, wonach jede Fraktion eine Abschrift der Protokolle erhalten sollte, hatte die Verwaltung nicht eingelöst.
Der zweite Antrag stammt von der ödp. Stadtratsmitglieder sollten das Recht bekommen, im Vorfeld von Abstimmungen entscheidungsrelevante Unterlagen einsehen zu können.
Vorneweg: Die aus dem Jahr 1992 stammende Geschäftsordnung wollte die Koalition partout nicht ändern. CSU und SPD hatten sich bereits im Vorfeld auf diese Position verständigt. Dennoch bekommen die Stadträte künftig Abschriften der Protokolle aus öffentlichen Sitzungen, sofern sie dies wünschen.
Anstatt einer Änderung der Geschäftsordnung gibt es ab sofort eine entsprechende „Anweisung des Oberbürgermeisters“ und die ist – nach Auffassung von CSU und SPD – rechtlich bindend. „Sollte sich die Verwaltung anders verhalten, können Sie den Antrag ja noch einmal stellen“, so CSU-Stadtrat Hermann Vanino. Die Opposition gab sich zufrieden und zog – nach kurzer Beratung – ihren Antrag zurück.
Für Stadträte gilt weiter: Kein Recht auf Akteneinsicht!
Ein Recht auf Akteneinsicht bleibt den Stadträten allerdings weiterhin verwehrt. Der Verwaltungsbeamte Lothar Walke lieferte anhand eines Fachaufsatzes die entsprechende Argumentation. Tenor: Ein Recht auf Einsicht in entscheidungsrelevante Unterlagen sei mit erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, mache also viel Arbeit, und biete zudem zahlreiche rechtliche Konfliktfelder in punkto Geheimhaltung. Der Antrag der ödp wurde vom Verwaltungsausschuss mit den Stimmen von CSU, SPD und FDP abgelehnt. Das gleiche Schicksal wird ihm auch im Stadtrat blühen.
So werden die Stadträte ihre Entscheidungen weiterhin auf Basis der Beschlussvorlagen treffen, die ihnen die – Oberbürgermeister Schaidinger unterstellte und damit abhängige – Verwaltung präsentiert.
Transparentes Handeln der Verwaltung?
Ein Beispiel dafür, wie weit es dabei mit der Transparenz her ist: die Diskussion um den Bau einer Ersatztrasse für die Steinerne Brücke. Der Verwaltung lag seit Mai 2008 eine artenschutzrechtliche Untersuchung vor, derzufolge die Artenvielfalt am Grieser Spitz durch eine Brücke massiv bedroht wäre. Den Stadträten ist der Inhalt dieser Untersuchung bis heute nicht bekannt. Schließlich beschloss der Stadtrat im Oktober – auf Empfehlung der Verwaltung –, einen Wettbewerb vorzubereiten, der auch Planungen für eine Brücke über den Grieser Spitz vorsieht. In der mehrseitigen Beschlussvorlage ist die Untersuchung mit einem knappen Satz erwähnt (Ein Kommentar dazu).
P.S.: Die spärlichen Rechte, die Stadträte haben, werden offenbar auch nur sehr spärlich genutzt. Nach Angaben der Verwaltung, gibt es im Jahr allenfalls ein bis zwei Stadträte, die Einsicht in die Sitzungsprotokolle begehren.
„Parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich .”
Das Bundesverfassungsgericht im April 2004 (BVerfGE 40, 296,327)
jean partout
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“Der Verwaltungsbeamte Lothar Walke lieferte anhand eines Fachaufsatzes die entsprechende Argumentation. Tenor: Ein Recht auf Einsicht in entscheidungsrelevante Unterlagen sei mit erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, mache also viel Arbeit,…”
Mehr Transparenz würde m.E. zu viel weniger Arbeit bei der Verwaltung führen, weil dort nicht mehr so vieles vertuscht werden müsste.
Intransparenz ist ein grossartiger Pöstchenmotor.
Wer ins Leere läuft, sind diejenigen Stadträte, die dieses Amt tatsächlich ernst nehmen.
Walke
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Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik zu ermöglichen, gebe ich hiermit den Aufsatz von Dr. Hermann Büchner in der Zeitschrift Ausbildung, Prüfung, Fortbildung Ausgabe 10/2008 bekannt: “Neufassung des Geschäftsordnungsmusters des Bayerischen Gemeindetags”. Dr. Büchner ist Lehrer an der BAyerischen Beamtenfachhochschule in Hof und Mitherausgeber eines Kommentars zur BAyerischen Gemeindeordnung.
Bernhard Segerer
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Schon merkwürdig – jenen die eigentlich am besten Bescheid wissen sollten bzw. ja auch müssen, wird Information vorenthalten. Kosten liesen sich minimieren indem die Aktenverteilung elektronisch erfolgen würde (oder hat die Stadt kein Internet?). Geheimhaltung mag manchmal – zumindest zeitweise – notwendig sein (auch wenn mir jetzt erst mal kein Beispiel einfällt), liese sich aber dennoch erreichen. Ich schätze mal (ohne dies wirklich zu wissen), das ein Stadtrat ohnehin zu einer gewissen Geheimhaltung “vergattert” (man verzeihe mir den BW-Ausdruck, aber er passt hier durchaus) wurde – falls nicht, ist es wohl auch nicht notwendig und daher ohne Bedeutung auf welchem Wege die Informationen verteilt werden – das einzige das einem email-Verkehr im Wege stehen würde, wären dann die üblichen Risiken des Internets, aber auch dafür bzw. dagegen gibt es ja inzwischen entsprechende Techniken.
B-Berger
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also ich hab die Berichterstattung so verstanden, dass die ÖDP ALLE relevanten Unterlagen (was ist das eigentlich) sehen will, d.h. gegebenenfalls kann es sich dabei dann um Aktenschränke voll Papier mit Aktenvermerken, Plänen, Gutachten, Besprechungsprotokollen usw. usw. handeln. Wie man so was per Email verschicken soll ist mit nicht ganz klar.
Ebenso schleierhaft ist mir, wie ein einzelner Stadtrat (der ja meist noch einem Erwerbsberuf nachgeht) die Zeit dafür aufbringen will sich durch möglichervweise tausende von Seiten Aktenmaterial zu lesen.
Das Ganze sieht mir mehr danach aus die Forderung zu erheben um sich Wichtig zu machen.
Joachim Datko
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Zu B-Berger am 29. Jan 2009, 19:06 “sehen will, d.h. gegebenenfalls kann es sich dabei dann um Aktenschränke voll Papier mit Aktenvermerken”
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– Hat man so etwas noch?
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Der Augen Auf Mann
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Nicht spärlich sind die Rechte, sondern untragbar sind die undemokratisch legitimierten Verhaltensweisen der Rechtevorenthaltung.
In Bayern werden das Bundesverfassungsgericht und deren Urteile nicht immer wirklich ernst genommen. Schon alleine das ist eine schiefe Sache.
Parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.
Wie oft darf dieses Vertrauen noch gebrochen werden?
Es soll in der Regensburger Verwaltung neben Aktenschränken auch darin befindliche Akten geben. Nur für den Fall das kein digitales Format vorhanden sein sollte, dürfte es zumutbar sein, eine Akte aus solch einem Schrank herauszunehmen und ggf. Kopien zu erstellen. Gegebenenfalls mit Terminabsprache, glücklichenfalls vor einer Abstimmung.
Abstimmungen zu Sachthemen ohne Akteneinsicht, mit der gebührenden Zeit zum Studium, ist aus meiner Sicht völlig unakzeptabel und hat mit fach- und sachbezogener Demokratie nichts zu tun.
Welche Auswüchse gesteuerte Informationspolitik schon gehabt hat, ist jedermann bekannt. Verheimlichen, vertuschen, lügen und dergleichen steuert die Demokratie in ungewollte Sphären.
Die Regensburger Bürgerschaft hat diese Machenschaften schon des öfteren bezahlen müssen. Handelt es sich hier um Tradition?
Nette Leute hier in Regensburg, tolle gescheiterte Bauvorhaben, offene Gutachten?, offene Ausschreibungen?
Vieles gegen den Bürgerwillen und auch zum Nachteil der Stadt.
Sieht so die künftige Demokratie aus?
Wehrtet dem Fortschreiten ! ! !