12 Aug2008
Minister zwickt man nicht
Montag. Kurz vor Mittag. Regenstauf. Vogelstation. Zwischen Gehölz, ein paar Verschlägen, Gehegen, einem Neubau aus Glas und Holz und einem Gartenhäuschen mit einer gemütlichen Eckbank steht ein Mann mit Kniebundhose und besticktem Westchen. Äsende Rehe sind darauf zu sehen. Der Mann heißt Karl Büchl. Er ist der „spiritus rector“ der Station. So nennt ihn wenig später der Bayern-Chef des LBV, Ludwig Sothmann. Und er hat allen Grund dazu. Ohne Büchl würde es diese Station nämlich nicht geben. Er hat vor 46 Jahren angefangen verletzte Vögel – vor allem Greife – bei sich zuhause wieder aufzupäppeln. Dass heute Otmar Bernhard, der bayerische Umweltminister, vorbei gekommen ist, um die Station offiziell mit dem Prädikat „Umweltstation“ auszuzeichnen, ist eine ein Termin, über die sich Büchl sichtlich freut. Still vor sich hin lächelnd sitzt er neben seiner Schwester, die im roten Dirndl nebst Hund gekommen ist, auf einer Bierbank zwischen den 50 Anwesenden – viele Bekannte und Nachbarn sind da – und hört geduldig zu, während die Honoratioren ihre Lobeshymnen anstimmen. Auf Büchl, den LBV, die bayerische Staatsregierung und überhaupt.
Der eine oder andere vergisst zwar vor lauter kommunal- und landespolitischer Prominenz Karl Büchl selbst zu begrüßen. Das stört ihn aber nur wenig. Der stellvertretende Regenstaufer Bürgermeister Johann Dechant spricht immerhin von „unserem Karl Büchl“. Eine Medaille haben sie ihrem Karl im vergangenem Jahr verliehen. Kurz zuvor ist Büchl von den Hörern des BR zum „Bayer des Jahres“ gekürt worden. Auszeichnungen, die freuen, die aber in den Augen des „spiritus rector“ vor allem deswegen wichtig sind, „weil sie unsere Station bekannter machen“.
10.000 Besucher – vor allem Schüler – kommen alljährlich auf dem 3.000 Quadratmeter großen Gelände vorbei, um die Patienten in Bayerns größtem Vogelkrankenhaus zu besuchen. 700 Vögel werden hier jedes Jahr aufgepäppelt. Ein Großteil von ihnen, weil sie sich in Stromleitungen verfangen haben und verletzt haben. Nach wie vor haben die Energieversorger ihr Versprechen einer flächendeckenden Umrüstung nicht erfüllt. Ein Umstand, den Otmar Bernhard im Rahmen seiner Laudatio kritisiert. Laut LBV fallen jährlich tausende Vögel dem „Stromtod“ auf Masten und Leitungen zum Opfer. Beim Weißstorch eine der häufigsten Todesarten.
Diese Fakten, aber auch Geschichten und Anekdoten erzählt Büchl gern. Ob nun Schülern oder Erwachsenen. Manchem Jäger oder Bauern müsste man sie öfter erzählen. „Es ist manchmal komisch, welche Ansichten es da noch gibt.“ Immer wieder werden Greifvögel von übereifrigen Jägern abgeschossen.
Kurz vorher hat Büchl ein paar Journalisten durch die Voliere geführt und vor lauter Erzählen fast den Beginn des Festakts versäumt. Immerhin hat er gerade einen der seltenen Schwarzstörche zu Gast, der demnächst wieder ausgewildert werden kann. Er wurde aus Waging am See zu Büchl gebracht.
Ein Vorzeigeprojekt der Regenstaufer Station – in seiner Form einmalig – ist Phönix. Verhaltensauffällige Kinder helfen bei der Pflege verletzter Greifvögel, bis diese wieder in die Freiheit entlassen werden können. Das stärkt Selbst- und Verantwortungsbewusstsein – und ist auch leichter zu bewerkstelligen als die viel bekanntere Delfintherapie.
Das fast fertig gestellte neue Gebäude, unter dessen Vordach der Festakt stattfindet, soll der Mittelpunkt eines Umweltbildungszentrums werden, von dem sich auch die Gemeinde Regenstauf bayernweite Bekanntheit verspricht. Gebaut wurde mit regionalem Holz, der Strom kommt zum Großteil von Solarzellen am Dach. Wie sich’s halt gehört für eine Umweltstation.
Als die Reden vorbei sind, kommt der Höhepunkt des Programms. Jedenfalls für Karl Büchl, der mit kurzen erläuternden Worten und einem Grinsen dem Umweltminister einen Turmfalken in die Hand drückt. Der soll heute ausgewildert werden und Otmar Bernhard darf – ganz Minister – den Part der Freilassung übernehmen. Nach ein paar Fotos schwindet auch die Nervosität beim Minister. Alles klappt problemlos. Mit einem „Flieg“ wirft er den Falken in die Luft. Ein kleiner Wermutstropfen war vielleicht, dass LBV-Chef Sothmann, der einem Baumfalken die Freiheit schenken darf, das „Vorsicht, der is a bisserl frecher“ etwas zu spät hört und sauber in den Finger gezwickt wird. Der Mann in der Kniebundhose grinst und bringt ihm ein Taschentuch aus dem Gartenhäuschen.