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“So ausgschamt waren die Arbeitgeber noch nie.” Der Warnstreik bei Pustet ist Auftakt der verschärften Tarifauseinandersetzungen in der Druckindustrie. Foto: as
„Das ist Klassenkampf von oben nach unten“, ruft Irene Salberg ins Megaphon, als sie am frühen Morgen vor der Druckerei Pustet steht. Am 1. Mai ist die Friedenspflicht in der Druckindustrie weggefallen. Die Pustet-Drucker sind mit die ersten, die bundesweit „raus“ gehen. Am Mittwoch sind sie in einen ganztägigen Warnstreik getreten.
Gewerkschaftssekretärin Irene Salberg ist von der hohen Beteiligung sichtlich angetan. „Das habe ich in 15 Jahren nicht erlebt“, sagt sie, schon etwas heiser. Nötig sei das auch. „So ausgschamt (bayr. für unverschämt) waren die Arbeitgeber noch nie.“ Ein paar Streikbrecher huschen zwar vorbei. „Aber viel geht heute nicht“, zeigt sich einer der Teilnehmer überzeugt. „Wir müssen streiken wie wir es noch nie getan haben“, ruft Salberg ins Megaphon.
Tatsächlich?
Den Druckern geht es gut
Im Vergleich zu anderen Branchen geht es den Druckerei-Beschäftigten gut: 35-Stunden-Woche, relativ hohe Tariflöhne, Facharbeiterschutz – an der Druckmaschine darf nur ein gelernter Drucker arbeiten – und Besetzungsregeln an diesen Druckmaschinen.
„Es gibt kaum noch andere Wirtschaftszweige, in denen die 35-Stunden-Woche gilt“, sagte Gabi Schermuly-Wunderlich, Sprecherin des Bundesverbands Druck und Medien (bvdm). „Damit sind wir nicht wettbewerbsfähig.“ Ein neuer Tarifabschluss müsse „vertretbare Kostensenkungen“ beinhalten. Die Forderung der Gewerkschaft nach 5,5 Prozent mehr Lohn bezeichnet der Arbeitgeberverband denn auch als „realitätsfern“.
Lohndumping sichert Arbeitsplätze
Entsprechend lesen sich die bvdm-Forderungen: 40 statt 35 Stunden (ohne Lohnausgleich), die Löhne von Nicht-Facharbeitern – derzeit zwölf Euro brutto die Stunde – sollen um 20 bis 25 Prozent gesenkt werden. An Druckmaschinen sollen auch Ungelernte eingesetzt werden dürfen, eine weitere Kostensenkung. Das alles diene der Flexibilisierung und damit einhergehenden Sicherung von Arbeitsplätzen.
Ja mehr noch: Man handle damit sogar im Sinne der Beschäftigten, so die Argumentation des Arbeitgeberverbands. Weniger Lohn für Hilfskräfte schaffe nämlich einen „Gegenanreiz zur Ausgliederung, zur Fremdvergabe und zur Zeitarbeit“.
Man kann das so umschriebene Rezept zur Sicherung von Arbeitsplätzen auch kürzer zusammenfassen: Anstatt Leiharbeiter, die für Dumping-Löhne arbeiten (müssen), ins Haus zu holen, kann man Dumpinglöhne auch gleich per Tarif festlegen.
Die Forderung der Gewerkschaft dagegen lautet: gleicher Lohn auch für Leiharbeiter.
Leiharbeiter: Günstiger geht es nicht!
Eine Forderung, die manchmal etwas untergeht, die aber durchaus eine entscheidende Rolle bei den aktuellen Tarifauseinandersetzungen spielen dürfte, denn: Leiharbeit boomt in der Druckbranche. Leiharbeiter sind einfach unschlagbar günstig – ein deutsches Phänomen übrigens, in Frankreich kommt ein Leiharbeiter den Arbeitgeber teurer.
Der Stundenlohn eines Facharbeiters in der Druckindustrie liegt brutto bei rund 16 Euro. Ein ungelernter Arbeiter verdient rund zwölf Euro. Zeit- bzw. Leiharbeiter sind dagegen ab sieben Euro die Stunde zu haben.
MZ-Druckerei: 50 Prozent Prekäre
Im Druckzentrum der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg sind nach Gewerkschaftsangaben knapp die Hälfte der rund 60 Beschäftigten Leiharbeitnehmer und 400-Euro-Jobber. Anders ausgedrückt: Bei der MZ-Druckerei arbeiten knapp 50 Prozent der Belegschaft in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Am Rande: In der Gesamtstadt Regensburg sind 19 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse prekär.
Der bvdm begründet seine Forderungen unter anderem damit, dass der Umsatz in der Druckindustrie in den letzten zehn Jahren um rund 20 Prozent zurückgegangen sei. Was dabei allerdings unerwähnt bleibt: Die Gewinne in der Branche beginnen – zumindest nach Angabe des statistischen Bundesamts – seit geraumer Zeit wieder zu steigen.
Bauboom bei Druckereien
Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass es im Druckgeschäft so schlecht nicht laufen kann, ist auch in der Region zu beobachten. Die Verlagshäuser der PNP in Passau, der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg und des Straubinger Tagblatts haben alle neue, moderne Druckereien aus dem Boden gestampft. Beim Neuen Tag in Weiden ist man gerade dabei, zu bauen.
Später am Mittwoch ist Irene Salberg bereits auf dem Weg zu einer anderen Druckerei, aus der Zeitungsbranche. Die Abendschicht wird dort in einen Warnstreik treten. Vorab herrscht strenge Geheimhaltung, damit der Streik nicht durch den Einsatz von Leiharbeitern wirkungslos bleibt. „Bei einer Tarifauseinandersetzung interessiert es nicht, ob Du gute Argumente hast“, sagt Salberg. „Arbeitgeber verstehen nur die Sprache der Straßen: den Streik.“
mit diesen unverschämten und geradezu zynisch begründeten forderungen wollen uns die druckereibesitzer wohl zurück in die tarifliche steinzeit bomben.
so ein forderungskatalog, wenn er mal publik wird, wird noch bei vielen kollegen streikbereitschaft wecken. da bin ich mir ganz sicher.
peter sturm
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mit diesen unverschämten und geradezu zynisch begründeten forderungen wollen uns die druckereibesitzer wohl zurück in die tarifliche steinzeit bomben.
so ein forderungskatalog, wenn er mal publik wird, wird noch bei vielen kollegen streikbereitschaft wecken. da bin ich mir ganz sicher.